Eigentlich fing der Tag nicht so besonders an. Die Kinder waren sehr gereizt – und ich dann natürlich auch. Am frühen Vormittag war ich eigentlich schon fertig mit den Nerven. Der Spielplatz hatte die Stimmung zwar etwas gehoben, aber trotzdem wurde ständig um Dreiräder, Schaukeln und Sandspielzeug gezankt. Dazu dieser Herbstwind, der einen durchpustet bis auf die Knochen. Nachdem der Spielplatz aufgrund eines Hosenunfalls abgebrochen werden musste, aßen wir Mittag, wobei natürlich der Großteil des Essens auf dem Boden landete. Obwohl jeder von Lieses Sätzen derzeit mit „Ich will aber…“ anfängt und mit „Waruhuuum?“ aufhört, habe ich die Gurken irgendwie in’s Bett zum Mittagsschlaf bugsieren können. Keine Zeit mehr, noch schnell ein Mittagspausennähen einzuschieben. Für den Stoffmarkt in Leverkusen war ich mit Miriam verabredet und sie ließ mich gerade noch wissen, ob ich es nicht doch etwas früher schaffen würde – Unwetterwarnung und so.
Also bin ich losgesprungen und habe unterwegs schnell noch Geld geholt. Am Geldautomaten sprach mich ein Obdachloser an, den ich vom Sehen kenne. Er ist öfter in unserem Viertel unterwegs. Als er mich nach Kleingeld fragte, schüttelte ich reflexartig den Kopf, zog mein Geld und fragte mich, ob es mir wirklich weh tun würde, mein Kleingeld zu geben. Seit ich zu Studentenzeiten einer Bettlerin mein letztes Essen gab und selber nichts mehr hatte, gebe ich eigentlich aus Prinzip nichts. Aber heute war irgendwie so ein Tag, an dem man seine Prinzipien durchaus mal über den Haufen werfen könnte. Also leerte ich mein komplettes Kleingeld in seinen leeren Pappbecher. Der Herr staunte nicht schlecht und schenkte mir ein zahnloses Grinsen. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte ich nicht mehr das Gefühl, einen Schnaps zu brauchen oder die Nerven zu verlieren – und es kam noch besser!
Ich fuhr durch Sturm und Regen nach Leverkusen, suchte Miriams Haus – eine alte Villa zwischen alten Villen und gemeinsam fuhren wir zum Stoffmarkt. Auf dem Stoffmarkt Holland war ich schon einige Male in Bad Godesberg gewesen, aber immer zum Frühjahrsmarkt, bei dem bunte Baumwoll- und leichte Leinenstoffe dominieren. Herbstmarkt in Leverkusen war Premiere und ich habe tolle Stoffe abgesahnt. Ich muss gestehen: Ich habe noch nie so viel Stoff auf einmal gekauft – und noch nie so wenig Geld dabei ausgegeben.
Die ersten Schätze waren diese Jersey-Stoffe: Einmal Aubergine mit breiten Streifen, einmal blauer Crash. Der Blaue war ein Reststück, das der Händler nicht nachgemessen hat. Über einen halben Meter hat er mir damit geschenkt. Daraus werden ein paar leichte Oberteile für mich entstehen.
Ein absolutes Schnäppchen (2€/m) ebenfalls diese beiden Baumwollstoffe. Der Graue wird eine Bluse, der dunkle mit den Blumen ein Kleid.
Hier drei klassische Winterstoffe in Streifen, Karo und graubraun meliert. Geplant sind Hose, Rock – und für den Melierten? Ich weiß es nicht. Denn der Händler gab mir den Restballen und hat nur 2,5m berechnet. Nun habe ich davon über 3,5m und habe alle Möglichkeiten der Welt: Kostüm, Kleid, Hose, Rock – oder eine Kombination aus allem.
Über diese Stoffe freue ich mich besonders. Brauner, kuschliger Nadelstreifen und Futterstoff für je 2€/m. Cat hat mich mit dem Kostüm Sew Along total angesteckt und ich werde mir nach meinem Cord-Kostüm ein Nadelstreifen-Kostüm in warmen Brauntönen nähen.
Meine Begleitung Miriam hat auch gute Beute gemacht und wir waren beide mehr als zufrieden. Der Stoffmarkt Holland lohnt sich in jedem Fall. Es gab natürlich auch jede Menge bunter Kinderstoffe, Polster- und Gardinenstoffe, Kurzwaren usw. Für viele Kinder- oder Designerstoffe (z.B. von Lillestoff) zahlt man den gleichen Preis wie im Laden, aber der Stoffmarkt hat absolutes Schnäppchenpotential. Mit etwas Glück bekommt man auch ein wenig geschenkt.
Oder man bekommt viel geschenkt – so wie ich heute. Das macht den Tag für mich sehr rund heute – ich habe geschenkt und wurde beschenkt. Besser geht es doch nicht, oder?