Der Juli hat an seinem letzten Tag die Mauersegler fort geschickt, der Höhepunkt des Sommers liegt hinter uns. Bewegt war der Monat, sehr bewegt, wie das ganze Jahr bisher. Der Beginn des Monats ist noch von vielen Verbindlichkeiten geprägt. Die letzten Tage in der Schule, Konzerte über die Bühne bringen, das große Schulfest. Dann lösen sich die Pflichtfäden, die alles zusammen halten, mehr und mehr auf, an jeder Ecke wünschen wir uns einen schönen Sommer. Auch wenn wir dieses Jahr keine große Sommerreise machen können, ist die Erleichterung, wenn der Termindruck nachlässt, überdeutlich. Der Juli wird mit jedem Tag leichter.
Kategorie: Stadtgeschichten
Reise nach Benin
Kurz war unsere Reise nach Benin, kurz und überwältigend. In den wenigen Tagen sind so viele Eindrücke auf uns eingeprasselt, dass ich immer noch dabei bin, alles zu verarbeiten. Die vielen Farben, die anderen Gerüche. Das Licht ist in Westafrika ganz anders, und natürlich auch die Temperaturen. Das Leben in Cotonou dreht sich in einer anderen Geschwindigkeit und irgendwie auch in eine andere Richtung und ich gebe zu: die Anpassung an das Leben in Benin fiel mir wesentlich leichter als die Rückkehr nach Europa.
Wir kamen spät abends in Cotonou auf dem Flughafen an. Dort war alles straff durchorganisiert: Passport! Yellow Card! Weitergehen, zügig in die Schlange einreihen. Dann noch einmal Passkontrolle, Fingerabdrücke, Fotografieren. Es ging eigentlich alles reibungslos, dennoch treffen einen die vielen Eindrücke (und das Klima!) wie eine Wand. Wir waren froh, dass unsere Projektpartner uns am Flughafen empfangen haben, direkt in ein Shuttle setzten und so für eine sichere Fahrt zum Hotel sorgten. Dort schlief ich wie ein Stein. Am nächsten morgen holte uns unser Fahrer ab und fuhr uns die halbe Stunde in Richtung der Universität in Abomey-Calavi. Es ist nicht übertrieben, wenn ich schreibe, dass ich mir mit offenem Mund die Nase an der Autoscheibe platt gedrückt habe.
Der Verkehr läuft komplett anders als in Europa. Es gibt keine Ampeln, die Geschwindigkeit ist teilweise halsbrecherisch und wenn eine Meute Fahrzeuge plötzlich geschlossen links abbiegt, machen wie durch Zauberhand die Entgegenkommenden Platz. Die meisten fahren mit dem Moto, kleinen Motorrädern oder Mopeds. An den vielen gelben T-Shirts erkennt man die Taxifahrer. Öffentliche Verkehrsmittel haben wir nicht gesehen in Cotonou. Wir hatten sehr oft den Eindruck, die Anzahl der zu befördernden Personen und auch Gegenstände ist nach oben komplett offen. Egal ob man nun mit dem Moto fährt oder mit einem Auto.
In der Universität lernten wir alle Projektpartner kennen, bekamen eine Laborführung und die Gelegenheit, die wichtigsten Eckpunkte des Projektes durchzusprechen. Nachdem die Arbeit getan war, machten wir einen Ausflug in die Pfahlbautenstadt Ganvié. Dort leben etwa 20.000-40.000 Einwohner, je nachdem, wen man fragt, komplett auf dem Wasser des Lac Nokoué. Es ist die größte Siedlung dieser Art auf dem Kontinent und wird auch als das „Venedig Afrikas“ bezeichnet. Ganvié war sehr beeindruckend, das Leben, der Markt, alles spielt sich auf dem Wasser in kleinen Booten ab. In den meisten Booten waren 2-3 Leute: Vorne und hinten wird gepaddelt, und ein kleines Kind in der Mitte schöpft mit einer Plastikschüssel das einlaufende Wasser aus. Ein kleines Kind meint dabei ein Kind unter etwa 6 Jahren, denn alle älteren Kinder können auch schon allein die Boote bewegen, um zum Lebensunterhalt der Familie mit beizutragen.
Der Fischfang ist besonders wichtig für die Bewohner von Ganvié. Überall auf dem Nokoué-See sind Schilfreihen in das Wasser gesteckt. Die Fische verstecken sich im Dickicht unter Wasser. Nach etwa einem Jahr können die Schilfreihen entfernt und die Fische gefangen werden, um sie zu essen oder zu verkaufen. Außerdem werden Reusen genutzt und viele Kinder haben eigene kleine Fallen, mit denen sie Fische fangen. Im Februar ist Trockenzeit, da steht das Wasser des Sees tief genug, dass die Pfähle der Häuser und auch die Schilfreihen gut erkennbar sind. Wenn der große Regen kommt, verschwindet das Meiste davon unter der Wasseroberfläche.Nach unserer Fahrt über den Lac Nokoué gingen wir noch über den nahe gelegenen großen Markt von Abomey-Calavi. Neben Getreide wird dort viel Gemüse verkauft. Vor allem Zwiebeln, Blattgemüse, Tomaten, Chilis und Okras wird angeboten. Wir haben den lokalen Weichkäse ‚Waragashi‘ gesehen, der eines der Lebensmittel in unserem Projekt ist. Auf dem Markt wird er in großen Eimern mit Flüssigkeit gelagert, die täglich aufgekocht werden muss, weil der Käse so schnell verdirbt. Fleisch und Fisch sieht man sehr oft geräuchert auf dem Markt, damit es länger hält. Allgegenwärtig ist das in Westafrika sehr bekannte ‚poulet bicyclette‘. Die Hühnchen haben ihren Namen daher, weil sie mit dem Fahrrad zum Markt gebracht werden, in große Bündel verschnürt. Und natürlich auch, weil ihre Beinchen sich schnell und hastig bewegen wie bei einem Fahrradfahrer, wenn man versucht sie einzufangen.Am Abend kamen wir in den Genuss der traditionellen Küche in Benin. Unsere Gastgeber erklärten geduldig all die fremden Gerichte: ablo, akassa, gombo, aloko. Es schmeckte ungewohnt und meistens ziemlich gut. Etwas gewöhnungsbedürftig war ein Eintopf mit Okra, der eine so schleimige Konsistenz hatte, dass man ihn kaum essen konnte. Immer wieder ist mir das Essen von der Gabel geflitscht und hat Fäden gezogen. Mein liebstes Gericht war gebackener Fisch mit Zwiebel-Tomaten-Gemüse, am besten mit frittierten Bananen als Beilage. Nach dem Essen gab es jedes Mal frisches Obst – Ananas, Papaya, Bananen oder Orangen sind allgegenwärtig. Das Aroma ist tatsächlich ein ganz anderes, wenn die Früchte vor Ort reifen. Ein großer Unterschied im Vergleich zu den Früchten, die man bei uns im Supermarkt kaufen kann.
Den nächsten Tag verbrachten wir auf dem offiziellen Kick-Off-Meeting des Projektes. Es waren über 40 Leute da, Vertreter aus Industrie, Politik und von der Universität. Wir konnten ein paar Worte mit dem deutschen Botschafter wechseln, was sehr interessant war. In den darauf folgenden Diskussionsrunden erfuhren wir sehr viel über die lokalen Gepflogenheiten, was den Handel und das Verpacken von Lebensmitteln angeht. Auch dieser Tag war wieder sehr dicht gepackt mit Besprechungen, Workshop und Vorlesung. Den Abend konnten wir frei nutzen. Unser Fahrer war so nett, einen großzügigen Umweg zum Hotel zu fahren. So konnten wir noch ein paar Blicke auf Cotonou erhaschen. Besonders haben wir uns gefreut, als er den Weg zum Meer einschlug, um uns den Atlantik zu zeigen.
Samstag, unser letzter Tag in Benin, und ein bisschen spürte ich schon beim Frühstück die Wehmut. So richtig wollten wir nicht nach Hause. Viel lieber hätten wir Afrika noch für ein paar weitere Tage inhaliert. Für diesen Tag hatten wir ein straffes Programm geplant. Zwei Verpackungsfirmen wollten wir besuchen und danach noch ein paar Sehenswürdigkeiten mitnehmen. Wir fuhren ein Stück aus Cotonou und Abomey-Calavi heraus, wo es keine befestigte Straße mehr gab. Wir wurden ganz schön durchgeschaukelt, als unser Fahrer das Auto über die unwegsame Strecke lenkte. Der Boden hatte eine intensiv rostrote Farbe. Der Staub lag überall – auf den Dächern, Reifen, den Blättern. Zwar wurde die staubige Straße durch einen Tankwagen mit Wasser bespritzt, aber wir hatten das Gefühl, dass diese Maßnahme nur sehr begrenzt hilft. Die sprichwörtlichen Tropfen auf heiße Erde.
Weil unser erster Termin uns vergessen hatte, stand „killing some time“ auf dem Programm. Kein Problem, denn so konnten wir in Ruhe noch mehr Benin in uns aufsaugen. Wir gondelten gemächlich durch die Straßen. Irgendwie waren wir auch in dem Leben angekommen, dass sich in Afrika einfach in einer anderen Geschwindigkeit und Richtung dreht. Unser Weg führte uns an einer Aquakultur für die Zucht von Tilapia vorbei und wir konnten spontan eine Führung machen, bei der uns alles sehr ausführlich erklärt wurde. Danach waren wir schon etwas spät für unseren letzten professionellen Termin. Wir wurden dennoch sehr höflich und herzlich von den Mitarbeitern der zweiten Verpackungsfirma begrüßt. Sie zeigten uns stolz all ihre Produkte, welche Verpackungen für welche Lebensmittel genutzt werden. Natürlich mussten wir die scharfen Gewürzkekse kosten und dann gab es auch noch den Chicorée-Kaffee, der mich so fasziniert hat, geschenkt. Wir waren schon ganz schön voll mit Informationen und Eindrücken. Dennoch führte uns unser Weg vor dem Mittagessen noch zu einem Kunsthandwerkermarkt für Touristen, wo man die unterschiedlichsten Dinge kaufen konnte.
Das Mittagessen bot nur eine kurze Verschnaufpause. Danach fuhren wir über Land nach Ouidah, einer kulturgeschichtlich sehr interessanten Stadt. Mit einem lokalen Guide konnten wir einen Voodoo Tempel besichtigen. Geduldig beantwortete er unsere Fragen, war aber sichtlich angegriffen über die negative Darstellung, die seine Religion in anderen Ländern der Welt erfährt. Er stellte uns die Python vor, das heilige Tier im Voodoo. Im Tempel leben über 40 Tiere, die einmal im Monat freigelassen werden, damit sie sich in der Stadt Futter suchen können. Die Tiere, die den Heimweg nicht allein finden, werden von den Einwohnern von Ouidah zurück zum Tempel gebracht. Wir lernten, dass viele Voodoo-Priester Narben im Gesicht tragen, die den Labialgruben der Pythons entsprechen. Tatsächlich waren uns auch in Cotonou schon öfter Menschen aufgefallen, die kleine Narben oder Tättowierungen im Gesicht trugen. Nun wussten wir auch, dass diese Narben die Zugehörigkeit zu bestimmten Stämmen oder Religionen kennzeichnen. Schließlich hatten wir die Ehre, uns eine heilige Python um den Hals legen und uns von ihr segnen zu lassen.
Benin ist nicht nur die Wiege des Voodoo, sondern auch eines der ehemaligen Zentren der Sklaverei in Afrika. Ausgehend vom Place Chacha, dem ehemaligen Sklavenmarkt, folgten wir der Route der Sklaverei. Dieser von Statuen gesäumte Weg soll an die Geschichte der Sklaverei erinnern. Dabei gibt es verschiedene Stationen, wie den Baum des Vergessens. Um den mussten Männer 9 mal und Frauen 7 mal gehen, um alles zu vergessen: Ihre Herkunft, ihre Kultur, ihre Sprache, ihre Identität, ihre Geschichte. Unser Guide führte uns über die verschiedenen Etappen der Tour. Wir waren beeindruckt, wieviel er wusste. Sein Englisch war ausgezeichnet, obwohl er es nach der Schule nur durch Hörensagen verbessert hatte. Immer wenn Touristen vorbei kommen, hört er genau hin, um neue Wendungen zu lernen. Jede unserer Fragen konnte er sofort beantworten und erklärte dabei so viele Details, dass wir zunächst dachten, er hätte Geschichte studiert und wäre von der Universität. Leicht beschämt gestand er uns, dass er nicht mehr als einen normalen Schulabschluss und sich das meiste in seiner Freizeit angelesen hatte. Wir fuhren zur letzten Etappe auf der Route der Sklaverei: La Porte du Non-Retour – das Tor ohne Wiederkehr. Von hier aus gelangten die Sklaven über kleine Boote auf die großen Karavellen und wurden verschifft in ein fremdes Land, in eine ungewisse Zukunft.
Auch wenn der heiße Tropenwind uns sehr aufgeheizt hatte an diesem Tag, wurde mir frostig, als wir durch das Tor auf das Meer zugingen. In der Sonne schlenderten wir zum Strand. Ich konnte ein paar Muscheln aufsammeln. Dann stand ich das erste Mal am Atlantik, sog noch einmal alle Eindrücke in mich auf. Die wehenden Palmen, das rauschende Rollen der Brandung. Langsam ging ich auf die Wellen zu und grub meine Hände in den Sand. Wogende Wellen tosten heran, bäumten sich auf zu Bergen und überschlugen sich, als sie über meine Hände rollten. Sie trafen mich, meine Hose, Schuhe, Socken und ließen von mir ab. Ließen mich zurück, bewegt und durchtränkt. Alle lachten. Wunderschönes Afrika. Wunderschönes Benin.
Eins Komma Acht in einer Million
Ich weiß noch, wie am Ende des Jahres 2016 alle stöhnten, das Jahr möge bald vorbei sein. So viel war passiert: Anschläge im In- und Ausland, die weltpolitische Lage, Unruhen, und als dann gegen Ende des Jahres beinah jeden Tag eine Person des öffentlichen Lebens das zeitliche segnete, wollten alle nur noch, dass der Jahreswechsel kommt. Als würde das etwas ändern. Einige meinten leise, dass 2017 vielleicht die persönlichen Tragödien bereit hielte; daran musste ich oft denken in der letzten Zeit. Denn wir hatten in diesem Jahr wohl wirklich das, was man eine schwere Zeit nennt. Nach einem turbulenten Frühjahr, einem schweren Verlust im Frühsommer, sich überschlagender Arbeit und all dieser kleinen und größeren Katastrophen im Alltag, waren wir irgendwann nur noch froh, uns in den Urlaub retten zu können. Während des Urlaubs hatten wir noch eine Hochzeit und eine Beerdigung vor uns, und danach sollte endlich alles ruhiger werden.
Wurde es aber nicht, denn wir waren nach dem Urlaub keine zwei Tage daheim, da fing Lieschens Knie an zu schmerzen. Zuerst nahm ich das gar nicht ernst, die Kinder toben eben viel, sind den ganzen Tag auf den Knien rum gerutscht und gut, beim Radeln in den Garten wurden sie dann quengelig. Aber am nächsten Tag schwoll das Knie stark an. Eigentlich wollte ich noch einen Tag abwarten, aber Liese konnte nur noch humpeln, so dass wir doch noch schnell zur Kinderärztin gingen. Die schickte uns direkt in die Kinderklinik in der Amsterdamer Straße, wo wir den ganzen Dienstag verbrachten, das Kind im Rollstuhl, abwechselnd in der Ambulanz und in der Radiologie zum Ultraschall. Mit einem abschwellenden, entzündungshemmenden Medikament wurden wir nach hause geschickt. Der Arzt war kein bisschen beunruhigt, empfahl uns aber, wieder zum Kinderarzt zu gehen, falls die Schwellung nicht nachließe. Für den Rest der Woche sollte die Kleine zuhause bleiben, durch das Treppenhaus der Schule wäre sie ohnehin nicht gekommen. Dass sie damit den Schulanfang verpasste und auch an den Auftritten für die neuen Schulkinder nicht teilnehmen konnte, machte Liese sehr traurig – aber was hilft’s, wenn man nicht allein laufen kann.
Am Donnerstag dann sah das Knie aber immer noch nicht besser aus, so dass wir zu unserer Kinderärztin gingen. Sie überwies uns direkt wieder in eine Kinderklinik, diesmal eine mit einer spezialisierten Abteilung auf Rheuma. Da sie Sorge hatte, das Gelenk könnte bei einer längeren Schwellung Schaden nehmen und eine Krankheit unerkannt bleiben, sollte dort eine ausgiebige Diagnostik gemacht werden. Wir fuhren also direkt dorthin und warteten 3 Stunden in der Ambulanz. Als wir dann endlich dran kamen, war es für die meisten Untersuchungen schon zu spät, aber Rheuma-Diagnostik würde dort eh nur stationär gemacht werden und ein negativer Borrelien-Befund sei dafür Vorraussetzung. Das Blut dafür war glücklicherweise schon in der ersten Kinderklinik abgenommen worden. Wir sollten also Freitag möglichst früh den Borrelien-Befund von dort heranschaffen, dann mit dem Kind nüchtern in die Klinik fahren, damit das Knie unter Kurznarkose punktiert werden könne. Die Ärztin besorgte uns noch ein Bett, damit wir am nächsten Tag stationär aufgenommen werden könnten und schickte uns heim. Ein bisschen mulmig war uns, aber wir machten eine dicke Lasagne am Abend, damit die Kleine den nächsten Morgen nüchtern gut überstand.
Wir erreichten am nächsten Morgen natürlich niemanden vor 9 Uhr in der Amsterdamer Straße. Leichter wäre es vermutlich gewesen, die Kliniken hätten einfach mal miteinander telefoniert. Als wir den negativen Borrelien-Befund dann endlich hatten, fuhren wir sofort in die Kinderklinik; dort war es aber dann schon fortgeschrittener Vormittag, als wir ankamen. Die Ärztin in der Ambulanz tat dann plötzlich so, als hätten wir schon um 8 Uhr für die Punktion da sein sollen, da hätte angeblich ein Team für die Punktion bereit gestanden, jetzt wären die Ärzte aber alle in Besprechungen. Davon wußten wir nichts, konnten zu dem Zeitpunkt natürlich auch nicht mehr ändern, dass wir nicht früher jemanden erreicht hatten wegen des Borrelien-Befundes. Das tat ihr dann aber doch ein bisschen leid, vor allem weil die Kleine weit nach 11 Uhr immer noch nüchtern war, so dass sie herumtelefonierte, um Ärzte für die Kniepunktion zusammen zu trommeln. Wir gingen auf die Station und hatten nach kurzer Wartezeit plötzlich 5 Ärzte um uns herum, die alle die Punktion machen wollten. Das war ein bisschen wie im Film, vor allem als dann der Chefarzt kam und darauf bestand, die Punktion selbst zu machen. Noch während ich über die Risiken belehrt wurde, wurde alles vorbereitet und Liese unter Kurznarkose schlafen gelegt. Das alles ging ziemlich schnell und reibungslos, doch während die Kleine noch schlief, bekam ich so langsam mit, auf welcher Station wir aus Platzgründen gelandet waren. In unserem Zimmer war ein 16 Monate altes Mädchen, sie hatte die Operation zweier Nierentumore vor ein paar Wochen hinter sich gebracht und wurde an die Chemo angeschlossen, während Liese langsam wach wurde.
Als Liese richtig wach war, ging es ihr direkt schon viel besser. Die Schwellung war durch die Punktion fast komplett abgezogen worden, so dass sie ihr Knie schon wieder ziemlich gut bewegen konnte. Die Ärzte waren zwar sehr überrascht gewesen, als sie einen Bluterguss aus dem Knie zogen – damit war kindliches Rheuma quasi ausgeschlossen – aber was das nun genau bedeutete, sagten sie uns auch nicht so richtig. Wir verbrachten das Wochenende in der Klinik und versuchten uns die Zeit so gut wie möglich zu vertreiben. Besuche durch die Familie waren nicht ganz so einfach, weil wir auf der Onkologie waren und Kinder unter 12 Jahren wegen der Infektionsgefahr nur nach ärztlicher Untersuchung auf die Station durften. Aber wir hatten großes Glück mit dem diensthabenden Arzt am Wochenende, der uns öfter mal aufmunterte, zum Lachen brachte und die Bettruhe zumindest teilweise aufhob, so dass wir im Rollstuhl spazieren gehen und an die frische Luft konnten. Wir erlernten Fähigkeiten, an die wir vorher im Traum nicht gedacht hätten: Liese lernte, sich mit einem Rollstuhl fort zu bewegen und ich lernte, möglichst ohne Schmerzen ein Kind anzuziehen, das eine Zugang in der Hand hat. Eigentlich sind das Fähigkeiten, auf die man lieber verzichten würde.
Ich lernte eine nette Mama auf der Station kennen, die ganz froh war, dass ihr 3jähriger Sohn eine Form der Leukämie hat, die leichter zu behandeln ist. Sie erzählte mir, dass sie ursprünglich wegen einer Magen-Darm-Geschichte in die Klinik gefahren wären, dass der Krebs ein Zufallsfund gewesen war. Und sie erzählte mir, wenn die Ärzte sagten, sie würden nochmal Blut abnehmen, um Gerinnungsfaktoren zu überprüfen, man solle nochmal nach hause fahren und sich ausschlafen – dann solle man anfangen, sich Sorgen zu machen. Da hatte ich etwas gestutzt, denn das mit den Gerinnungsfaktoren – genau das hatten sie bei Liese auch gesagt – aber ich beruhigte mich selbst damit, dass ihr Blutbild so gut gewesen war. Dennoch schlief ich schlecht in der Nacht von Sonntag auf Montag. Wir hatten die Hoffnung, montags direkt entlassen zu werden, morgens stand aber noch ein MRT-Termin an und mein Gedankenkarussel drehte und drehte sich: MRT – Tumordiagnostik. Die Onkologie hatte ihre Spuren hinterlassen.
Zuerst war ich total überwältigt gewesen, mit welcher Stärke und Tapferkeit die Kinder auf der Onkologie ihre Krankheiten ertrugen. Ich fand es verwirrend, wie „normal“ der neue Alltag der betroffenen Familien wirkte, obwohl ihr Leben nun komplett verändert war. Eigentlich war hier ja gar nichts normal. Aber wie die Kinder auf den Ständern durch den Gang rollten, an den der Apparat und der Tropf befestigt war, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt – oder eben das Beste, was man aus der Situation machen könne. An den ersten beiden Tagen machten mich die ständig piepsenden Chemo-Geräte halb wahnsinnig, da hatten wir auch noch die kleine Löwin bei uns auf dem Zimmer. Die Geräte dürfen nur von besonders geschultem Personal bedient werden und jede Dosis muss von einem Arzt freigegeben werden. Wenn also ein Zyklus fertig ist, piepsen die Geräte sehr eindringlich. So lange, bis jemand kommt; und das kann etwas dauern. Die Medikamente machen die Kinder quengelig und aggressiv, sie können schlecht einschlafen und das Greinen hört man dann jeden Abend. Ich habe versucht, Liese zu erklären, warum die kleine Löwin so wenig Haare hat. Warum man die Familien der Onko-Kinder sofort erkennt, warum sie so gequält aussehen. Aber wie soll man einer 7jährigen etwas erklären, das man selber kaum erfassen kann?
Den Termin im MRT hat Liese dann ganz hervorragend gemeistert. Für das gute Stillhalten gab es auch ein extra Eis. Wir bekamen ein neues Kind auf’s Zimmer, nachdem wir seit Samstag allein gewesen waren. Ein ganz süßes Mädchen, zweieinhalb Jahre. Leukämie. Ursprünglich waren sie unter anderem in die Klinik gekommen, weil die Kleine öfter mal große, blaue Flecke hatte. Klingt wie eine Lappalie, war es aber nicht. Auch mit ihr haben wir ein wenig gespielt, damit die Mama mal raus kann. Beim Essen holen etwas später fand ich dann die total verweinte Mama des kleinen Jungen von der Onko, in Tränen aufgelöst. Die Therapie hätte nicht die gewünschte Wirkung erzielt, die Blutwerte seien nach wie vor schlecht. Die Therapie würde nun mindestens 3 Monate länger dauern, aber so richtig würden die Ärzte nicht rausrücken mit der Sprache. Traurig ging ich in unser Zimmer zurück, wo kurz darauf das kleine Mädchen an die Chemo angeschlossen wurde. Sie schrie wie verrückt, sie wolle nach hause. Zu dritt versuchten sie, die Kleine zu beruhigen. Ihre Schreie gingen uns durch Mark und Bein, wir wollten nur noch weg, genau wie die Kleine. Als es geschafft war, holte die Mama eine kleine Box heraus, damit die Kleine drei Daumennagel große Perlen auffädeln konnte. Es war ihre Kette aus Mut-Perlen. Für jede Chemo, für jede schmerzhafte Untersuchung oder OP, für jeden besonders guten oder besonders schweren Tag bekommen krebskranke Kinder eine Mut-Perle, die sie auffädeln können und die sie daran erinnern, was sie alles schon überstanden haben. Wie viel Kraft in ihnen steckt. Auch wenn die Diagnose der Kleinen erst zwei Monate zurücklag, war ihre Kette schon deutlich über einen Meter lang.
Wir durften später ein wenig mit der Physiotherapeutin in die Turnhalle, damit sie schauen könne, ob Liese sich richtig bewegen kann. Sie war sehr zufrieden mit ihr und kam zu dem Schluss, dass die Kleine keinerlei Bewegungseinschränkungen hat und man ihr so gut wie gar nicht anmerkt, dass sie überhaupt etwas am Knie gehabt hatte. Als dann die Ärzte kamen zur Visite, inklusive Chefarzt, waren sie recht kurz angebunden. Die Auswertung des MRTs würden sie erst Ende der Woche erwarten, dann könnten wir anrufen. Sie wüssten nicht genau, was genau das jetzt gewesen wäre, vielleicht ein abgeknicktes Blutgefäß oder vielleicht auch ein Blutschwämmchen, sie würden aber nichts Gravierendes erwarten und uns gern nach hause schicken.
Wir waren so froh, dort raus zu kommen, es konnte mir nicht schnell genug gehen. Wir dachten tatsächlich, wir hätten es überstanden.
Donnerstag rief dann die Ärztin aus der Pädiatrie an, dass sie im MRT doch etwas Auffälliges gesehen hatten. Mit mehreren Ärzten hätten sie drauf geschaut und waren sich einig gewesen, die Kleine müsste operiert werden und sie hätten das an die Orthopädie übergeben, die alles Weitere mit uns besprechen wollte. Ein Orthopäde rief dann auch an, erzählte Rajko, Liese hätte eine Wucherung der Gelenkhaut, die die Gelenke zerstören könne und sollte so schnell wie möglich operiert werden. Das würde eine Vollnarkose, Schmerzkatheter und eine Woche Krankenhaus mit sich bringen, aber Anfang Oktober hätten sie einen Termin dafür frei. Der Gatte sagte natürlich erst mal zu, ebenso wie den Termin zur OP-Vorbesprechung Ende September. Der Arzt wollte uns noch Informationen dazu schicken, aber nach 3 Tagen bekamen wir lediglich einen Info-Bogen zur OP, auf dem stand, dass wir eine Einweisung mitbringen müssten, das Kind zu baden hätten, die Haare zusammen zu binden seien und so weiter. Wir fanden das irgendwie komisch, denn Liese ging es sehr gut. Sie hatte keine Schmerzen mehr und überhaupt keine Beschwerden mit dem Knie. In der nächsten Woche rief ich im Krankenhaus an, um den Befund zu bekommen, aber die Dame in der Orthopädie sah keinen Befund im System. Da auch bei unserer Kinderärztin kein Arztbrief ankam, hatten wir die Sache schon als „wohl doch nicht so akut“ abgehakt; wir dachten, das Krankenhaus würde bei einer richtig ernsten Sache auch anders damit umgehen.
Über eine Woche später rief mich dann der Orthopäde zurück und ich machte ihn darauf aufmerksam, dass wir immer noch keinen schriftlichen Befund hätten. Ich fragte ihn, welche Beeinträchtigungen nach der Arthroskopie zu erwarten wären, weil die Schule nicht barrierefrei wäre und ich gelesen hatte, dass mitunter auch längere Zeit (9-12Monate) kein Sport gemacht werden könne; aber der Arzt konnte mir nicht sagen, inwieweit das bei Liese zutreffen könne. Ich wies ihn darauf hin, dass das Kind beschwerdefrei sei und die Krankheitsgeschichte noch nicht mal einen Monat lang sei und fragte ihn, ob man das nicht noch etwas beobachten könne. Da brauste er auf, dass es ja wohl nicht um die Entscheidung ginge, ob eine OP gemacht würde oder nicht. Diese Krankheit würde Gelenke zerstören, wenn man nicht direkt agiere. Auf meinen Einwand, dass wir die Lage überhaupt nicht einschätzen könnten, weil wir eben immer noch nichts Schriftliches von der Klinik hätten, ging er dann ein, gestand auch ein, dass er das Kind ja noch nie gesehen hätte und sagte mir die Diagnose noch einmal ganz langsam: Pigmentierte villonuduläre Synovialitis. Tatsächlich sagte dieser Orthopäde, als ich mitschrieb, dann sogar noch so komisch am Telefon, ich solle das ruhig mal im Internet nachschlagen, dann würde ich es schon sehen. Als ich das tat, fühlte ich mich wie von einem Vorschlaghammer getroffen. Ein gutartiger Riesenzelltumor, ein extrem seltener. Die Häufigkeit dieser Diagnose liegt bei 1,8 zu 1 Million.
Ich rief sofort den Gatten an, der beschwor, dass in den vorherigen Telefonaten nie davon die Rede gewesen sei, dass es so etwas Ernstes ist. Ich machte für den nächsten Morgen direkt einen Termin bei unserer Kinderärztin und kam endlich an den schriftlichen MRT-Befund und den Arztbrief aus der Pädiatrie. Ich war total am Boden zerstört. Als Liese 10 Minuten später von der Schule heimkam und mich sah, versuchte sie, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie genau sah, dass irgendetwas absolut nicht stimmte. Am nächsten Morgen beim Frühstück fragte sie mich, ob sie nun sterben müsse.
Unsere Kinderärztin nahm sich sehr viel Zeit für uns. Sie kannte PVNS wegen seiner Seltenheit nicht, gab das aber offen und ehrlich zu, was ich ihr hoch anrechne. Sie schickte uns schließlich raus und telefonierte sehr lange mit der Klinik. Sie fand es unmöglich, dass mit einem onkologischen Befund derart umgegangen wurde, telefonierte sich durch die Abteilungen und setzte sich dafür ein, dass sich ein interdisziplinäres Team zusammensetzt, um Therapie und Prognose zu besprechen. Sie gab uns mit auf den Weg, zu der OP-Vorbesprechung zu gehen und eine diagnostische Arthroskopie zu machen, bis dahin aber nicht diese Diagnose zu glauben. Sie konnte uns ein wenig beruhigen, aber wir liefen trotzdem auf Ausnahmezustand. Als ich am nächsten Tag heimkam, stand Liese mit ihrem Schlüssel in der Hand vor der Tür. Sie hatte die Tür nicht aufbekommen und in die Hose gemacht. Als wir dann in der Wohnung waren, brach sie in Tränen aus und schluchzte, dass das bestimmt an diesem komischen Ding in ihrem Knie lag. Das würde ihr alle Kraft nehmen und deswegen hätte sie die Tür nicht aufbekommen.
Ich las alles über diese Krankheit. Ich las Fachartikel, ich las Konferenzbeiträge, ich las in Radiologie-Büchern. Ich fand heraus, dass es spezialisierte Arbeitsgruppen für diese seltene Erkrankung gab, in München. Ein Tumorzentrum in Essen und eine Kinderklinik in Hamburg, die PVNS behandeln. Überall war angegeben, dass es extrem hohe Rezidiv-Raten gab, bis zu 80%, vor allem bei Operateuren, die keine Erfahrung mit dieser Erkrankung haben und wenn die Therapie nicht sorgfältig geplant wurde. Ich stöberte in Betroffenen-Gruppen, fand reihenweise Schicksale von PVNS-Patienten mit mehrfachen Rückfällen und vielen, vielen OPs und dass nicht wenige von ihnen früher oder später mit einem künstlichen Kniegelenk endeten. Kann man sich permanente Schmerzen und jährliche Knie-OPs für das eigene Kind vorstellen? Ich telefonierte mit einem befreundeten Radiologen, der diese Diagnose in seiner gesamten Laufbahn erst 3 mal sah, immer nur bei älteren Leuten und der mir bestätigte, dass es im MRT auch Verwechslungsmöglichkeiten gäbe. Ich las in Fachartikeln, dass die Erkrankung nicht nur extrem selten ist, sondern dass sie bei Kindern quasi gar nicht vorkommt. Ein Kinderkrankenhaus in Buenos Aires (keine ganz kleine Stadt) hat alle 2 Jahre mal einen Fall. In einer retrospektiven Studie der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft über einen Zeitraum von 20 Jahren an 10 verschiedenen Behandlungszentren war von 173 Fällen die Rede, davon nur zwei bei Kindern. Ich finde ja schon, dass meine Tochter etwas ganz Außergewöhnliches ist. Aber auch, dass wir für so eine Diagnose viel zu durchschnittlich sind. Außerdem machte sie doch einen komplett gesunden Eindruck?
Wir versuchten, uns noch ein schönes Wochenende zu machen, feierten ihren 7. Geburtstag und fuhren montags in das Krankenhaus zur OP-Vorbesprechung. Da wir einen Termin hatten, kamen wir recht schnell dran. Es stellte sich schnell heraus, dass eigentlich gar keine weiteren Untersuchungen oder Gespräche über die Diagnose geplant waren. Wollten diese Ärzte tatsächlich ein gesund wirkendes Kind aufgrund einer extrem unwahrscheinlichen Diagnose am Knie operieren, ohne diese Diagnose noch einmal zu überprüfen? Die Assistenzärztin in der Ambulanz war zwar sehr nett, hatte PVNS aber auch noch nie gesehen. Sie untersuchte Liese und wurde dann auch etwas stutzig, als sie ein komplett beschwerdefreies Kind vor sich hatte, dass sich absolut normal bewegte. Wir bestanden darauf, dass noch ein Ultraschall gemacht wird, die Bilder mit uns durchgegangen werden und wir mit einem Arzt aus dem pädiatrischem Team sprechen, aus deren Abteilung der Befund kam. Ich machte sehr deutlich, dass ich nicht mit dem Orthopäden sprechen möchte, der am Telefon so unmöglich gewesen war und durch unseren Tonfall und unser Auftreten merkte sie wohl, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Ich ging dann mit Liese zum Ultraschall, aber die Radiologin mauerte total. Natürlich würde sie den Befund kennen, der würde ja schließlich aus ihrer Abteilung kommen. PVNS wäre gar nicht so selten, auch wenn sie sich nicht erinnern könne, ob und wann das in dieser Klinik schon mal diagnostiziert oder behandelt wurde. Ich fragte sie, ob es normal wäre, dass die Ausdehnung eines Tumors im MRT nicht vermessen würde, um später eine Entwicklung des Wachstums einschätzen und eine OP vorbeireiten zu können – denn es standen keine Messungen im Befund. Und sie sagte tatsächlich: Ja, das wäre normal, dass keine Messung vorgenommen würde. Ich war bei dieser Aussage zu einem Tumorbefund extrem geschockt, wird doch jede Zyste und jedes blöde Myom immer genau dokumentiert, um die Entwicklung einschätzen zu können. Und hier, kurz vor einer Knie-OP wegen einer Krankheit, die immer wieder kommt, wenn der erkrankte Bereich nicht sehr gewissenhaft entfernt wird, sollte das plötzlich anders sein? Die Radiologin zeigte uns nichts im Ultraschall, sie sprach kaum ein Wort mit uns und schrieb schließlich eine Art vorläufigen Fake-Befund, der absolut nicht zum Krankheitsbild oder vorherigen MRT-Befund passte.
Als wir zurück kamen, erwartete uns der Orthopäde und wollte mit uns sprechen. Aber als ich ihn sah, machte ich auf dem Absatz kehrt. Ich ließ ihn stehen und rief ihm noch im Gehen zu, dass ich mit ihm nicht sprechen werde. Umstehende Ärzte, Schwestern und auch er selbst waren sichtlich geschockt. Ego angekratzt. Oberärzte werden vermutlich sonst eher nicht so behandelt. Dem Gatten gegenüber räumte er dann auch ein, dass es sehr schwierig würde, wenn das Vertrauensverhältnis einmal derart zerstört sei. Sie sprachen eine Weile und der Liebste holte mich ein wenig später dazu, als ein Onkologe aus der Pädiatrie dazukam und der Orthopäde das Feld räumte. Auch der Onkologe (deutlich über 50) hatte in seiner gesamten Laufbahn erst ein oder zwei Fälle von PVNS gesehen, konnte den vollen Namen der Krankheit auch nicht richtig aussprechen, versuchte aber, uns zu beruhigen. Ich sagte ihm ins Gesicht, dass ich diese Art des Umgangs mit so einer Diagnose sehr unseriös finde, dass man so etwas nicht am Telefon bespricht und dass es unmöglich ist, am Telefon zu einer OP gedrängt zu werden, ohne dass einmal in Ruhe die Diagnose durchgesprochen wird. Ich sagte ihm, dass die Wahrscheinlichkeit, dass alle Ärzte der Klinik sich alle irren, höher ist als die, dass unsere Tochter diese Krankheit erwischt. Woher ich die Kraft und den Mut nahm, derart unverschämt mit den Oberärzten umzuspringen, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass ich vor Wut gezittert habe.
In der Zwischenzeit hatte der Orthopäde uns sehr spontan einen weiteren MRT-Termin organisiert. Ich hatte das Gefühl, sie wollten in dem Moment nur noch den Schaden begrenzen. Die Kleine, die den ganzen Ärger und die Wut natürlich voll mitbekommen hatte, hielt wieder ganz tapfer still im MRT. Die Radiologin, dieses Mal war eine sehr kompetente und freundliche, junge Ärztin, war die einzige (ich hatte wirklich jeden Arzt gefragt), die schon einmal PVNS bei Kindern gesehen hatte. Allerdings nicht in dieser Klinik, sondern in der schweizer Spezialklinik, in der sie kurz vorher beschäftigt war. Sie nahm sich sehr viel Zeit und ging mit uns die Bilder durch. Sie beantwortete Fragen und Einwände sehr geduldig, sie überlegte mit uns gemeinsam; man merkte, dass es ihr selber auch wichtig war, dieses Rätsel zu lösen. Nach einigem Überlegen sagte sie dann schließlich die Worte, die für uns wie eine Erlösung waren: PVNS ist die unwahrscheinlichste Diagnose. In der Spezialsequenz, die sie gefahren hatte, konnte sie einige charakteristische Merkmale von PVNS nicht finden. Eigentlich wäre die einzige mögliche Diagnose nun nur noch ein Hämangiom.
Ein Hämangiom, ein Blutschwämmchen. Das war dieses kleine Ding, was der Chefarzt bei der Entlassung schon vermutet hatte. Das abschließende Gespräch mit dem Orthopäden, dieses Mal ließ ich mich auf den Mann ein, ergab, dass sich der zügige OP-Termin erübrigt hat. Nicht nötig, abgeblasen. Ein Blutschwämmchen ist zwar auch ein gutartiger Tumor, zeigt aber in der Regel kein so aggressives Wachstum und kann sich mitunter sogar von selbst zurückbilden. Das Hämangiom kann man gut erst einmal beobachten, im Abstand von 6 Monaten, und gegebenenfalls eine OP planen, falls es wiederholt Schwierigkeiten machen sollte. Uns fielen tausend Felsbrocken vom Herzen.
Unglaublich, wieviel Kraft es gekostet hat, die Ärzte dazu zu bewegen, doch noch einmal genauer hinzuschauen. Unglaublich, wie sehr einen so eine Diagnose aus der Bahn wirft, wenn es das eigene Kind trifft, dass eine schwere Krankheit haben soll. Und unglaublich, wie sehr mein Vertrauen in die medizinsiche Versorgung erschüttert ist durch diese Fehldiagnose. Es ist leider nicht das erste Mal, dass ich eine „dumme Geschichte“ mit Ärzten erlebe, aber es ist mit Abstand die Gravierendste. Das Schlimme dabei ist, dass eigentlich jeder, dem man so etwas erzählt, auch eine „dumme Geschichte“ parat hat, wo etwas ziemlich schief lief und dass sich keiner überrascht zeigt bei ärztlichen Fehlern. Wobei ich Fehler nur menschlich finde, aber die Unfähigkeit, diese einzugestehen, die Unfähigkeit mal eine Entschuldigung zu äußern, das ist es, was mir zusetzt.
Und jetzt? Wir versuchen, irgendwie wieder in den Alltag zurück zu finden, auch wenn eine unterschwellige Angst immer noch da ist. Wir sind dankbar über unser Netz an Freunden, die uns unterstützt haben. Die Fefi mit zu sich genommen haben, um uns zu entlasten, die selber bei befreundeten Ärzten nachgefragt haben. Die uns einfach nur zugehört und unterstützt haben. Wir sind froh, dass wir aus diesem Albtraum erwachen konnten, auch wenn das anderen nicht vergönnt ist.
Karneval mit Kindern in Köln
So langsam sind wir ausgenüchtert und erholt genug, die jecke Zeit zu rekapitulieren. Der Karneval mit Kindern lässt sich in Köln gut feiern, weil es sehr viele kleinere Veranstaltungen gibt, die man mit der Familie gut besuchen kann. Im Vorfeld hatte ich mir ja wieder einige Gedanken zu den Kostümen gemacht. Die Kinder wollten unbedingt als Hexe und Zauberer gehen. Da man sich für die Umzüge auf der Straße am besten warm einpackt, verschwindet das schöne Kostüm schnell unter einen dicken Jacke. Daher wollte ich für dieses Jahr dickfellige Monsterkostüme machen und habe die Materialschlacht und den Kampf mit dem Flokati im Blog ausführlich gezeigt.
Ich muss sagen, der Plan mit den Drinnen- und Draußen-Kostümen ist voll aufgegangen. An Weiberfastnacht haben wir eine Kinderparty bei uns geschmissen. Wir haben auch drei Packungen Konfetti geschmissen. Außerdem Luftschlangen, Luftballons, das volle Programm. Bei unserer Party und der Familienparty von Freunden am Freitag haben die Kinder ihre Kostüme mit stolz ausgeführt. Für den Karnevalssamstag hatten wir Karten für die Pfannkuchensitzung im Weißhauskino ergattert. Das ist eine zweistündige Sitzung für Kinder, die von Rita und der kleine Schosch sehr liebevoll gestaltet wird. Da gibt es Live-Musik, es werden Geschichten erzählt, die Kinder können frei tanzen oder in einer Polonaise durch den Kinosaal geben. Damit es auch den Kleinen nicht zu viel wird, gibt es zwischendrin eine Pause. Wir waren das erste Mal da und ich muss sagen, wir waren sehr begeistert.
Sonntag standen wir dann das erste Mal am Zoch. Wir starteten vormittags in der Südstadt mit den Schull- und Veedelszöch. Dort marschieren verschiedene Schulen und Vereine aus den Stadtvierteln auf und gehen fast den identischen Weg zum Rosenmontagszug. Der Zug ist sehr bunt, mit wunderbaren Kostümen und nicht so unnahbar wie der große Rosenmontagszug. Es gibt sehr viel Musik von den typischen Karnevalskapellen oder auch Trommelgruppen. Im Zug laufen über 100 Gruppen, so dass man wirklich viel zu sehen bekommt.
Wir haben da natürlich schon einiges an Kamelle gefangen, aber nicht alles hat es bis in die Beutel der Kinder geschafft. Vieles verschwand auch direkt im Mund. Nach zwei Stunden waren die Kinder recht geschafft, außerdem musste ich heim. Ich hatte eine Karte für die große Kostümsitzung der Kölschen Narrengilde geschenkt bekommen und wollte mich noch aufhübschen. Das ging nur so halb, weil irgendwie alle Lippenstifte von kleinen Kindern angebissen oder aufgegessen waren. Trotzdem war die Sitzung toll, ich war zum ersten Mal bei einer. Es ist zwar ein bisschen speziell, aber hat auf jeden Fall viel Spaß gemacht.
Auch wenn wir es zuerst nicht so geplant hatten, fuhren wir Rosenmontag dann doch noch spontan zum Rosenmontagszug. Da muss man wirklich eine gute Stelle kennen, wenn man mit Kindern dort hin will, denn es ist unheimlich voll. Wie es im Rheinland so ist, kamen wir in der Bahn mit Mitfahrenden in’s Gespräch. Genauer gesagt fing Liese mit dem Flamingo an zu schnacken, der ihr gegenüber saß. Gemeinsam unterhielt sie sich mit der jungen Frau über sämtliche Disney-Filme und welcher wohl der beste war. Schließlich sangen sie sogar noch das Bibi&Tina-Lied zusammen, das war absolut großartig. Am Zug hatten wir dann einen recht guten Platz hinter der Apostelkirche am Neumarkt, wo einige Familien standen, die gegenseitig auf die Kinder acht gaben. Wir wurden öfter auf die Monster-Kostüme angesprochen, fotografiert oder die Kinder erhielten kleine Geschenke, weil sie so toll aussahen. Das ging natürlich runter wie Öl und ich war sehr stolz, dass die kleinen Monster so bewundert wurden. Nach dem Rosenmontagszug gingen wir tatsächlich auch noch zur Karnevalsparty in der Lutherkirche. Die Familien-Partys dort sind wirklich etwas ganz Besonderes, weil die Kanzel zugunsten eines Mischpultes geräumt wird und im Kirchenschiff Disco ist. Im Vorraum gibt es Snacks und Getränke, außerdem ist es dort ruhig genug, dass sich auch Familien mit Babys wohl fühlen. Neben der Karnevalsparty am Rosenmontag gibt es noch eine an Weiberfastnacht. An Halloween findet dort auch eine ganz tolle Familienparty statt, mit Lagerfeuer, Stockbrot, Märchenerzähler und Kinder-Geisterbahn.
Nach vier Tagen voller Karnevals-Feierei waren wir alle schon ziemlich geplättet – denn Karneval ist eeecht anstrengend. Aber Dienstag ist bei uns immer das große Finale. Vormittags findet der Veedelszoch in Zollstock statt, der nicht sehr groß, aber unheimlich liebevoll gestaltet ist. Dort läuft seit dem letzten Jahr unsere Kita mit einer sehr großen Gruppe mit und mittlerweile kennen wir auch ein paar Familien, die bei den Schulen mitlaufen. Ich finde, es gibt nichts schöneres als einen schönen Veedelszoch, bei dem man Leute kennt, die dann aus der Reihe kommen, einen drücken und bützen. Und natürlich lässt sich nirgendwo mehr Kamelle fangen, als bei einem Zoch, wo die Freundin die Kamelle aus ihrem Wurfbeutel einfach in den eigenen Beutel „umfüllt“. Nach dem Zollstocker Zoch reicht die Zeit genau, einmal nach Sülz zu fahren, sich aufzuwärmen und ein paar Nudeln im Bett zu essen. Das haben wir im letzten Jahr perfektioniert, als wir auf dem Zollstocker Zoch vom Regen total durchgeweicht wurden. Danach geht es noch zum Sülzer Zoch, der natürlich der Schönste von allen ist. Dieses Jahr hatte der Zoch ganz schön Verspätung, aber als er endlich kam, wurde er von den Stenzis angeführt. Und aus dieser Gruppe löste sich plötzlich eine Frau, die zu uns kam und uns auf den Blog und die Kostüme ansprach. Das war vielleicht ein Erlebnis – ich habe mich riesig gefreut!
Im Sülzer Zoch läuft Lieses Schule, außerdem viele Bekannte und Nachbarn. Demzufolge gab es wieder extra viele Süßigkeiten – soviele, dass wir sie kaum tragen konnten. Leider ist der Zoch dann total abgesoffen, weil es plötzlich stark anfing zu regnen. Das tat der Freude aber keinen Abbruch und wir hielten tapfer durch. Nur die Monster-Kostüme wurden durch die Nässe ganz schön schwer. Zuhause konnten wir uns aber aufwärmen und trocknen und dann war alles wieder gut. Als dann auch die Kamelle getrocknet war, wollten wir sie unbedingt wiegen, denn es waren Unmengen. Unsere Küchenwaage zeigte nur noch EEEEs an, so dass ich mich schließlich mit den Kamellesäcken behängt auf die Personenwaage stellen musste. Wir haben tatsächlich 10kg(!!!!) Süßigkeiten gefangen, das meiste davon auf den Veedelszügen. Auch wenn wir schon einiges verschenkt haben, sind wir ziemlich im Süßigkeitenkoma. Aber war geil.
Aber jetzt sind wir hier!
Wir hatten uns vor ein paar Tagen schon verabredet. Es ist verhältnismäßig kalt für einen rheinischen Winter, so kalt, dass an den Gräsern Frost hängt und die Pfützen zufrieren. So kalt, dass sogar die Seen und Kanäle in Köln von einer dickeren Eisschicht überzogen sind. Also hatten wir uns zum Schlittern verabredet, nach der Kita, mit einer guten Freundin, deren Kinder gute Freunde meiner Kinder sind. Liese hatte ich schon früh abgeholt, aber irgendwie war uns doch Zeit abhanden gekommen, so dass wir etwas später als geplant an der Kita waren. Es war trüb und düster und mistig, nicht so schönes Kaiserwetter wie am Wochenende, als wir den Ausflug geplant hatten. Also hatte ich gar nicht so recht Lust, zum Kalscheurer Weiher zum Schlittern zu fahren, Ronja eigentlich auch nicht, aber dann wurden wir doch überstimmt. Bis alle Kinder mit Matschsachen, Handschuhen und einer Brezel ausgestattet waren, dauerte es dann noch etwas. Es wurde also noch später, noch düsterer.
Ein bisschen mussten wir da lachen. Wir witzelten, dass es wahrscheinlich dunkel ist, bis wir ankommen. Es war schon kurz vor fünf, halb sechs sollte die Sonne untergehen. Zum Glück ist es nicht so weit zum Kalscheurer Weiher, so dass wir es tatsächlich im Hellen schafften. Der Schnee, der über Nacht gefallen war, war weggetaut, aber auf dem See, da lag noch welcher. Wie ausgegossen sah er aus, mit seinem schwarzen Eisspiegel, der Schnee dünn darüber gezuckert. Die Kinder fingen sofort Feuer. Sie tobten über den See. Vor allem mein Kleiner flitzte so schnell weg, dass ich ihn ermahnen musste. Vom Rand aus war das Eis in der Mitte des Weihers schwer einzuschätzen. Aber eigentlich sah alles sicher aus, weiter hinten spielten eine Gruppe Eishockey, mehrer Leute liefen Schlittschuh.
Ich weiß nicht mehr, wie es kam, aber irgendwie hatten die Kinder und eine Schlittschuhläuferin sich gegenseitig in ein Gespräch verwickelt. Sie diskutierten über Eis und Schnee. Die Leichtigkeit, mit der man mit absolut Fremden in ein lockeres, freundliches Gespräch kommt, wie beseelt man wieder auseinander geht. Das kenne ich nur aus dem Rheinland, vor allem aus Köln. Also sprachen wir darüber, wie lange es schon kalt war, wie dick das Eis. Dann gingen wir wieder unserer Wege, die Schlittschuhläuferin lief ihre Kurven, wir rutschten mit den Kindern über das Eis. Den Schnee schoben wir mit den Schuhen beiseite, so dass wir über die schwarze Fläche schlittern konnten. Kleine Luftblasen konnten wir in der Tiefe erkennen, aber das Eis war dick. Und wir träumten, wenn wir jetzt Schlittschuhe hätten, wäre das schön! Also taten wir ein bisschen so, streckten die Arme aus und stellten uns vor, da wären Kufen unter den Schuhen.
Der Kleine schaute sich gerade die Solaranlage an, die Mitten im Weiher normalerweise im Wasser und jetzt auf dem Eis schwebt, als die Schlittschuhläuferin in einem Bogen zu uns fuhr. Wie schön es ist auf dem Eis, unterhielten wir uns. Da erzählte ich ihr, dass wir uns gerade schon Schlittschuhe gewünscht hätten, wie schön das wäre! Sie lächelte, als sie sagte, sie hätte immer Schlittschuh im Auto dabei. Für Freunde, falls jemand mal keine dabei hat. Dann fragte sie, ob sie die nicht holen sollte, dann könnten wir fahren. Natürlich wollte ich ihr keine Umstände machen, denn zum Parkplatz ist es ein Stückchen. Außerdem würde es ja gleich dunkel werden. Sie sah mir ruhig in die Augen und sagte:
Aber jetzt sind wir hier!
Doch ich musste hinter meinem Sohn her, der wieder weggeflitzt war. Der Satz hallte in mir nach. Sie hatte so recht. Ich weiß nicht, warum mich ihre Aussage so gefangen hielt, ob es der Gedanke an die Verluste aus dem letzten Jahr war oder an die Freundin, die seit Jahren gegen den Krebs um ihr Leben kämpft. Oder ob es der Kinofilm vom Vortag war, wir schauten Manchester by the sea, der so eindrucksvoll zeigte, wie vergänglich gläsern Glück ist. Wie einem das Leben zwischen den Fingern zerrinnen kann, und man ist nur machtloser Beobachter. Wie zersplittert leer eine Seele nach einem großen Verlust ist. Wie wichtig es ist, die hellen Momente zu bewahren, auch wenn sie ganz klein sind. Mein Name wurde gerufen, das riss mich aus meinen Gedanken. Meine Freundin kam hinter mir her, etwas fassungslos, aber freudestrahlend und erzählte mir, die Schlittschuhläuferin würde jetzt Schlittschuhe holen.
Die kleinen Jungs quatschten mit den großen Jungs vom Eishockey. Dann machten wir eine Schneeballschlacht. Dann rutschten wir entlang der Schlittschuhspuren. Wir lachten viel. Wir warteten. Über der Warterei wurde es dunkel. Mittlerweile waren wir die einzigen auf dem See. Wir fragten uns schon ein wenig, ob sie wirklich wiederkommen würde, da glitt sie über das Eis. Links und rechts bepackt mit Schlittschuhen, außerdem einer Ledertasche für ihre eigenen Schuhe. Wir setzten uns an den Rand. Sie hatte zwei Paar Schlittschuh dabei in unterschiedlichen Größen, die genau auf meine Freundin und mich passten. Was für ein Zufall! Immer hätte sie die dabei, erzählte sie, falls einmal Freunde dabei wären, die keine hätten. Das wäre doch dann traurig und bei diesem Wetter sollte keiner ohne Schlittschuhe sein! Die Kinder machten große Augen, eigentlich wollten sie auch gern welche.
Als ich die ersten Schritte wagte, versuchte ich mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal Schlittschuh gelaufen war, aber es fiel mir nicht ein. Eigentlich war ich noch nie richtig Schlittschuh gelaufen, irgendwann einmal in der Schulzeit hatte ich es wohl ausprobiert. Ein einziges Mal. Nach ein paar Schritten ging es ganz gut. Wir glitten über das Eis, auch die erste vorsichtige Kurve glückte. Es war fast dunkel, die blaue Stunde brach an. Aber man braucht keine Sonne, wenn man Schnee hat, der leuchtet. Wir wurden schneller, mutiger. Wir drehten uns und drehten uns um die Kinder. Die fanden es ganz toll, wie wir über das Eis fuhren. Weite Kurven, enge Drehungen und zum Glück nicht hingefallen. Nur mit dem Gewicht gelenkt einen Kreis gefahren, auf einem Bein, dass das klappen kann! Es war so schön, dass wir ganz voller Glück waren. Es stieg uns bis in die Ohrenspitzen und ließ sie rot strahlen. Wir waren so voll Freude, dass es auf Natascha abfärbte. So hieß die Schlittschuhläuferin, das hatten wir eben auf dem Eis erfahren. Sie lachte nur noch, weil sie uns mit ihrer kleinen Geste so viel Glück beschert hatte.
Wir fuhren bis es dunkel wurde, sogar noch länger. Dann waren die Kinder nass und kalt, außerdem war Abendbrotzeit. Also Schuhe gewechselt, die Kinder in eine Decke gewickelt. Drei paar Schlittschuh lud ich auf mein Fahrrad, damit Natascha sie nicht bis zum Parkplatz tragen musste. Dann brachen wir auf, vollgetankt mit Kraft für den nächsten Tag, beseelt von der Freude. Die Kinder bekamen ihr Abendbrot direkt in der Badewanne, damit sie sich aufwärmen und satt essen konnten. Dann fielen sie erschöpft ins Bett, genau wie ich etwas später.
Ihre Schlittschuhe hat mir Natascha übrigens gleich mitgegeben, sie hat sie mir ausgeliehen. Denn heute nachmittag, da treffen wir uns wieder am Kalscheurer Weiher. Wir wollen Schlittschuh laufen.