Was habe ich mich gefreut, als ich Anfang der Woche die aktuelle Ausgabe der Handmade Kultur in einem unscheinbaren, braunen Briefumschlag bekommen habe. Ich habe das Magazin schon im Zeitschriftenladen durchgeblättert, konnte es nun zur Probe lesen und möchte es gern in meinem Blog vorstellen. Das Magazin ist 2008 zum ersten Mal erschienen. Nach eher sporadischem Erscheinen, taktet sich seit dem letzten Jahr eine gewisse Regelmäßigkeit ein, was dem Magazin sicher gut tut. Mit 6,90€ liegt es preislich in der Mittelklasse der DIY- und Einrichtungshefte. Das Papier ist etwas stärker und der Einband aus Karton, außerdem ist das Druckbild hervorragend. Kurz: Der Preis ist absolut angemessen, für die Qualität, die einem geboten wird.
Auf den ersten Seiten findet sich ein Sammelsurium von Buchvorstellungen, beliebten Projekten des Online-Portals und interessanten Produkten. Danach folgt der eigentliche Inhalt. Da hat Handmade Kultur eine bunte Mischung aus verschiedensten Bastelanleitungen zu bieten, die den gesamten DIY-Bereich abdecken. Ob stricken, nähen, häkeln oder basteln. Ob Holz, Textilien oder Papier – egal, was Du machst: Es ist etwas für Dich dabei. Eingestreut sind mehrere Kochrezepte und die Vorstellung verschiedener Designer oder Handwerker. Neben dem Mehlhersteller prangt direkt ein Rezept für Sauerteigbrot und die Vorstellung außergewöhnlicher Handwerke wie der Hornbearbeitung und die Herstellung von Schnürlkasperl, hat mich beeindruckt. Es gibt auch eine Rubrik „Farbwelt“, in der in dieser Ausgabe die Farbe „Gold“ vorgestellt wird. Außerdem wird berichtet über eine mitreißende Nachbarschaftsaktion in Hambug, die Handmade Kultur Blogstars und die „Keimzelle“ des Urban Gardening in Hamburg. Besonders gut hat mir der Artikel über die Abschlussarbeit einer Designerin gefallen. Sie hat Spitzendecken bei der Raumgestaltung verwendet: als Regalablage, Teppich oder Lampenschirm.
Eine tolle Idee ist die Vorstellung der DIY-Schmankerl in einer bestimmten Stadt. In der aktuellen Ausgabe ist das Bremen. Was mir etwas fehlt, ist ein Stadtplan, so dass man auf den ersten Blick sieht, wo was ist. Das wäre als regelmäßige Rubrik wirklich toll: Es wird eine Stadt vorgestellt inklusive toller Bezugsquellen und sehenswerter Orte/Ausstellungen etc. Dann könnte man sich bei jeder Städtereise gezielt an den strategisch wichtigen Stellen positionieren, um nichts zu verpassen.
Auch wenn die Cover der letzten Ausgaben designtechnisch noch nicht ganz konsistent sind, habe ich das Gefühl, dass sich das Magazin selbst findet. Design und Layout sind jung und frisch, ohne dass es anstrengend wirkt. Die fotografische Gestaltung der Projekte, vor allem auch der Rezepte, ist ein Augenschmaus.
Nicht alle Projekte würde ich nacharbeiten wollen. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass ich einen Sesselbezug häkeln und mit übergroßen Kirschen versehen werde. Das geht meiner Meinung nach schon hart an die Grenze des guten Geschmackes. Ein gehäkeltes Monster muss in meiner Familie auch nicht unbedingt sein. Aber man kann bei der Vielfalt der Materialien und Projekte nicht erwarten, dass einem alles gefällt.
Es sind auch Klassiker vertreten, wie das Basteln der Blumenpresse, die Konstruktion des Kinderschreibtisches oder die Anleitungen für die gefalteten Monde. Das sind zwar keine neuen Ideen, aber die gute Aufmachung der Beschreibungen machen das wieder wett. Insgesamt sind deutlich mehr Tops als Flops vertreten. Die Strickanleitung dieses Pullovers zum Beispiel hat mich wirklich animiert, mal wieder die Stricksachen in die Hand zu nehmen.
Ich wollte eine Anleitung testen und habe natürlich das Schnittmuster für den Rock in 3 Variationen gewählt. Ich habe die einfachste Version des Rockes, die „Romantikerin“ genäht. Auch wenn die Designbeispiele schön sind, muss ich sagen, dass es bei der Anleitung doch ganz schön hapert. Es geht damit los, dass es keine Größentabelle gibt. Klar, kommt es bei einem Rock nicht so darauf an, ich kann die nötigen Änderungen im Zweifelsfall schnell selbst machen. Eine Nähanfängerin kann das aber wahrscheinlich nicht. Ich habe normalerweise eine 36 oder 38 und habe hier vorsichtshalber die 38 genäht, frei nach dem Motto: enger machen geht immer. Die 38 hat gepasst, hätte aber auch nicht kleiner sein dürfen. Außerdem sind die Angaben für die benötigte Stoffmenge mehr als dürftig. Normalerweise gibt es eine Angabe, wieviele Meter Stoff bei einer Breite von z.b. 1,50 m gekauft werden müssen – abhängig von der zu nähenden Größe. Hier steht bei der Materialangabe nur, man bräuchte 1,50m davon und 1,70 davon und man weiß nicht, was damit nun genau gemeint ist. Ich habe auf gut Glück gekauft – naja. Sagen wir, es hat gereicht.
Die Anleitung ist mit Skizzen unterlegt, was ich schön finde – aber leider nicht ausreichend. Es fehlt eine technische Zeichnung, auf der alle Schnittmusterteile klar erkennbar sind, inklusive aller Markierungen. Auf dem Schnittmusterplan sind die Schnittteile nämlich so ineinander geschachtelt, dass sie nur sehr, sehr schwer auseinander zu halten sind. Die Linien fließen ineinander und wenn man nicht genau weiß, wie das Schnittteil fertig aussehen soll, wird es haarig. Ich würde mich durchaus als erfahren im Kopieren von Schnittbögen bezeichnen – aber über diesem Bogen habe ich mir echt die Haare gerauft. Bei der einfachsten Variante des Rockes hat das Nähen ganz gut geklappt. Für die komplizierteren Versionen mit Zipper und Falten ist die Anleitung zu dürftig. Da hapert es schon an der genauen Beschreibung, welche Schnittteile nun genau zugeschnitten werden müssen.Auch wenn mir mein Ergebnis sehr gut gefällt, lautet mein Fazit leider: Für Anfänger nicht geeignet. Das finde ich sehr schade, weil die Varianten des Rockes wirklich schön sind.
Alles in allem hat mir das Handmade Kultur Magazin gut gefallen. Ich fand die Vielfalt und Ausgewogenheit der Artikel sehr gut. Sie könnten thematisch besser geordnet sein, so dass zumindest ähnliche Materialien näher beieinander stehen. In der aktuellen Ausgabe geht es bunt durcheinander, was sicher gewollt ist. Für mich ist es aber etwas zu verwirrend, vor allem wenn ich etwas Bestimmtes suche. Die Qualität der Näh-Anleitung sollte verbessert werden, für die anderen Methoden habe ich es noch nicht ausprobiert.
Schön finde ich, dass es neben der Print-Version noch ein Online-Portal gibt. Dort findet man Kreativ-Blogs mit Anleitungen, Verkäufer, Veranstaltungen und Kurse. Von der Aufmachung her ist es ähnlich wie Pinterest mit seinen Pinnwänden. Viele bunte Bilder und Kästchen verteilen sich mehr oder weniger ungeordnet über den Bildschirm. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Auf der Startseite wird zufallsmäßig eine Auswahl der aktuellsten und beliebtesten Projekte gezeigt. Man kann sich aber auch die Top 40 anzeigen lassen oder, nach Kategorien sortiert, nur die Nähanleitungen oder nur die Rezepte anschauen. Das ist sehr schön gelöst und genau die Art von Struktur, die mir im Magazin etwas fehlt. Man kann sich dort auch mit seinem Blog verlinken, mit anderen austauschen, oder einfach nur ein stiller Leser sein. Schau doch auch mal vorbei bei Handmade Kultur – es lohnt sich!