Manche Erkenntnisse brauchen eine Weile, bevor sie sich setzen. Mir wurde kürzlich bewusst, wieviele unterschiedliche Saumvarianten ich schon an Kleidungsstücke angebracht habe.
Sicher hat man seine zwei, drei Standards, die man fast immer verwendet. Aber ein Blick über den Tellerrand lohnt sich, denn die Vielfalt der Möglichkeiten ist überwältigend.
Einen kleinen Einblick in die von mir verwendeten Säume möchte ich heute geben. Allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn zu diesem Thema könnte ich vermutlich Seiten füllen – so viel fällt mir dazu sein. Fangen wir mit den Standards an.
Umschlagsaum
Der ganz normale Umschlagsaum oder doppelte Saum ist sicher einer der am häufigsten verwendete Abschluss eines Kleidungsstückes. Der Stoff wird unversäubert zwei mal eingeschlagen, gebügelt und abgesteppt. In der schmalen Variante rechnet man dabei mit einer Nahtzugabe von 2cm (je 1cm pro Umschlag).
Man kann den Umschlagsaum aber auch deutlich breiter machen, wie bei meinem roten Batistkleid.
Man kann ihn farblich absetzen oder Ton in Ton halten. Der Umschlagsaum funktioniert bei fast jedem Material und ist universell einsetzbar
Blindsaum
Der Blindsaum wird oft bei Kleidern und Röcken angewandt und kann sowohl mit der Maschine (mit Blindsaumfuß) als auch mit der Hand gearbeitet werden.
Richtig umgesetzt ist auf der Vorderseite die Naht nicht zu sehen.
Bei der Rückansicht kann man erkennen, das der Stoff wieder doppelt umgeschlagen wurde. Allerdings erfolgte das Festnähen mit einem Blindstich. Die Stiche stabilisieren dabei den Umschlag an sich, halten also den gefalteten Saum zusammen…
…und befestigen ihn mit winzigen Einstichen am Rockteil. Am besten nimmt man dafür ein Garn im selben Ton des Stoffes und versucht, durch nur eine Faser des Stoffes zu stechen. Die Stiche können senkrecht oder schräg gestellt sein und sollten nicht zu eng neben einander sitzen.
Rollsaum
Der Rollsaum ist ein sehr schmaler Saum, der sich besonders für dünne Stoffe, wie z.B. Chiffon eignet. Es gibt für die Nähmaschine extra Rollsaumfüße, aber es geht auch ohne. Wer sehr viel Zeit hat, kann den Stoff auch schmal einrollen und von Hand mit Blindstich festnähen. Natürlich kann man den Rollsaum auch mit der Overlock nähen.
Mit der Maschine kann man den Stoff ebenfalls leicht einrollen und festnähen. Ich bevorzuge dafür Zickzack-Stich. Bei meinem schwarzen Chiffon-Kleid hat es genügt, den Stoff normal mit schmalem Zickzack zu versäubern. Da der Stoff so dünn ist, hat er sich beim Nähen automatisch eingerollt. Falls es einen Überstand gibt, kann man den vorsichtig abschneiden.
Schmaler Saum mit Zickzack-Stich
Diese Variante verwende ich leider eher selten, obwohl sie mir sehr gut gefällt, was Aufwand und Aussehen betrifft. Der Stoff wird einfach schmal umgeschlagen und mit einem engen Zickzack (ca. 3mm) festgenäht, wobei der Zickzackstich komplett auf dem Stoff bleibt (nicht wie beim Versäubern: der äußere Stich dringt nicht in den Stoffe ein).
Wenn man fertig ist, schneidet man den Überstand vorsichtig bis an die Stichkante ab.
Wellensaum
Ein sehr ähnliches Vorgehen kann bei elastischen Stoffen den optisch schönen Wellensaum ergeben. Der einzige Unterschied ist, dass der Stoff beim Nähen möglichst stark gedehnt wird. Sitzt die Naht, zieht sich der Stoff wieder zusammen, wird durch die Naht aber stellenweise unterschiedlich stark aufgedehnt. Das Ergebnis sind diese Wellen.
Auch hier kann man auch der Rückseite den Überstand wieder vorsichtig abschneiden. Da Jersey aber nicht franst, kann man es auch lassen. Die Wellen knapp zurück zu schneiden ist doch etwas kniffliger und bevor man ein Loch riskiert…
Offener Saum
Man kann den Saum auch mit ein bis zwei Sicherungsnähten offen lassen. Das war in den 90ern bei Jeans sehr beliebt, die dann bis an die Sicherungsnaht ausgefranst waren.
Das geht natürlich auch mit Jersey, der an der offenen Seite allerdings nicht franst, sondern sich leicht aufrollt. In diesem Beispiel sind zwei Coverlock-Nähe direkt nacheinander genäht.
Von hinten ist ein Beleg gegen genäht. Dadurch entsteht an der Unterkante die offene Optik der beiden aufgerollten Stoffe. Das Beispiel ist nicht von mir, sondern ein gekauftes Shirt.
Beleg
Ein Beleg kann einem Saum Stabilität, Schwere oder Form geben. So kann ein Beleg eine Rockrundung besonders schön hervorheben, dafür sorgen, dass er gut fällt oder dem Saum der guten Hose den entsprechenden Stand geben. Ein Beleg kann aus Stoff oder verstärkenden Materialien wie Vlieseline bestehen.
Einfassband/Schrägstreifen
Einfach, schnell und effektiv. Mit Schrägstreifen kann man Kleidungsstücken oder Taschen ruckzuck einen Abschluss geben. Entweder aufgefaltet rechts auf recht festnähen und nach dem Umschlagen abermals festnähen. Oder nach der quick&dirty-Methode das Schrägband einfach über den Stoff stülpen und in einem rutsch feststeppen.
Spitze
Das Beste zum Schluss! Natürlich kann der Saum auch nach Herzenslust verziert werden, z.B. mit schöner Spitze.
Die Spitze kann dabei z.B. einen Umschlagsaum verdecken.
Sie wird dazu in der Steppnaht des Umschlagssaumes von links festgesteppt.
Bei dichter oder gerüschter Spitze kann man sich den Arbeitsschritt des Umschlagens auch sparen. Der Stoff wird versäubert und die Spitze darüber festgenäht.
Auf der Vorderseite sieht man die Versäuberungsnaht bei diesem Beispiel (Kaufkleid) nicht.
Das war mein kleiner Einblick in die von mir verwendeten Saumtypen. Ich habe die Jersey-Standards wie Bündchen oder Zwillingsnadel mal weggelassen, denn die habe ich an anderer Stelle schon öfter gezeigt (z.B.
hier oder
hier).
Mich würde interessieren, was Dein bevorzugter Saum ist? An der genähten oder gekauften Klamotte?