An diesem letzten Tag im September schält sich die Sonne nur langsam aus den Wolken. Die Tage sind deutlich kürzer geworden, der Weg zur Arbeit morgens ist dunkel und wenn die Kinder schlafen gehen, dämmert es schon. Gestern hat ein kräftiger Regen demonstriert, dass es nun vorbei sei mit dem goldenen Herbst, jetzt würden andere Saiten aufgezogen.
Altweibersommer – eine wunderbare Zeit. Die Sonne entfaltet noch einmal all ihre Kraft, gibt eine letzte Ahnung von Sommer und malt dabei im Vorübergehen die Blätter bunt. Der Wind trägt schon die Frische der kalten, feuchten Jahreszeit, seine Schwere bläst einem den Übermut aus den Knochen. Herbst heißt zur Ruhe kommen. Auch wenn ich diesen September nicht durch Wälder und Wiesen streifen konnte, mir nicht wieder und wieder die feinen Spinnweben aus dem Gesicht streichen musste, habe ich den September sehr genossen. Ich habe den Kindern gezeigt, wie man Bucheckern aufknackt, wie gut die rotbraunen Kerne schmecken. Dass man Haselnüsse nicht genauso einfach in den Mund stecken kann. Wir sind durch feuchte Wiesen geschlichen und haben Kastanien gesammelt, dabei lustige Kastanien-Sammel-Freundschaften geknüpft. Und wenn die beiden Kleinen müde waren, haben sie sich mit einem Bonbon in den Hänger gekuschelt, damit ich sie noch ein bisschen durch den Herbst schieben kann.
Der frühe Herbst im Rheinland ist anders als im Erzgebirge. Die Weinberge von Rhein und Mosel sind nah, auch in vielen Gärten hängen dicke Trauben. Wenn die Blätter sich blutrot färben, wird es bald den ersten Most geben. Die Wanderung durch das Ahrtal wird mit einem Gläschen hier und da gewürzt, an jeder Ecke gibt es Weinproben. Auch um meinen Balkon klettern drei wackere Weinranken, die den September leuchten lassen.
Ein farbenfroher Herbst und süß prickelnder Federweißer sind zwei Dinge, die für mich mittlerweile untrennbar miteinander verbunden sind. Mit den unverschlossenen Flaschen nach dem Einkauf irgendwie nach Hause eiern, ohne dass etwas von der kostbaren, perlenden Flüssigkeit ausläuft, die Flaschen kühl stellen. Kalt muss der Federweißer sein, so kalt, dass das runde Weinglas beschlägt, so jung, dass er einem den Kopf nur ein kleines bisschen versäuselt. Dazu ein knusprig dünner Flammkuchen, den man mit Freunden genießt. So schmecken meine Septemberabende, die letzten Abende, die man gemeinsam im Freien verbringt.
Dafür wird es bald zu ungemütlich sein, wenn der Oktober kommt mit seinen Herbststürmen. Dann heißt es Teewasser aufsetzen und dick einpacken. Aber vielleicht werden wir auch noch ein bisschen geschont. Und nehmen ein kleines bisschen Septemberliebe mit in den nächsten Monat.
Septemberliebe von Marja Katz ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Wunderschön geschrieben!
Danke von einer weiteren Septemberliebhaberin,
Stefanie