AirFrance Desaster AF805 Cotonou-Paris

Vor ziemlich genau einer Woche wollten wir die Heimreise aus Benin nach Deutschland antreten, mit einem Zwischenstopp in Paris. Ich bin immer noch fassungslos und geschockt, wie problematisch der Rückflug war. Mir fehlen selten die Worte, wenn ich etwas aufschreiben möchte, aber diesen Artikel habe ich nun mehrfach angefangen und wieder abgebrochen, weil ich nicht sicher bin, wie ich diese Geschichte erzählen soll. Vielleicht am besten von Anfang an, so sachlich wie möglich.

Wir reisen normalerweise mit AirFrance nach Benin, weil diese Airline den Flughafen Cotonou regelmäßig anfliegt und wir mit einem Umstieg in Paris bisher zuverlässig dorthin und auch wieder zurück reisen konnten. Für die Heimreise geht der Flug in Richtung Paris sehr spät am Abend, gegen Mitternacht. So hatten wir es auch für letzten Samstag gebucht. Nach dem nächtlichen Flug nach Europa und einem morgendlichen Umstieg in Paris, wären wir Sonntag gegen 9 Uhr in Frankfurt gewesen. Also haben wir 3h vor Abflug, gegen 20h, eingecheckt, Gepäck aufgegeben und sind durch die Sicherheitsschleuse gegangen. Wir waren zu dritt, meine deutsche Kollegin und ein beniner Wissenschaftler waren auch dabei. Der Flughafen in Cotonou ist sehr klein. Es gibt nur ein Gate und hinter der Sicherheitsschleuse und Passkontrolle gibt es nur noch den Warteraum mit WC, aber keine Möglichkeit mehr Essen oder trinken zu kaufen. Das Boarding war etwas verspätet und die Passagiere leicht genervt, dass nach den zwei Gepäckkontrollen im Flughafen (direkt am Eingang wird durchleuchtet und an der Sicherheitsschleuse) noch einmal das Handgepäck aufgemacht wurde und wir zum dritten Mal mit Metalldetektoren abgesucht wurden. In der Maschine saßen wir dann eine ganze Weile, aber es wurde zunehmend heiß und unerträglich. Es dauerte gut 30min bis das Boardpersonal mal auf die Idee kam Wasser zu verteilen, allen Mitreisenden floss der Schweiß. Dann kam schließlich die Durchsage, dass es ein technisches Problem mit der Klimaanlage gäbe. Deboarding! Wir stiegen also aus, wurden von den Flughafenbussen die 70m bis zum Gate gefahren (eine Eigenart des Flughafen Cotonou, über die ich sonst immer sehr grinse) und sollten zurück ins Flughafengebäude. Das dauerte aber, wir standen ewig. Die Passagiere waren müde, die Kinder quengelten, es war weit nach Mitternacht, bis klar wurde, was eigentlich los war. Es ging so langsam voran, weil wir noch einmal durch die Sicherheitsschleuse mussten, zum vierten Mal!

Dann warteten wir in der Wartehalle am Gate, ohne dass es klare Informationen gab, wie es eigentlich weitergehen sollte. Gegen halb 2 kam die Durchsage, dass die neue Abflugzeit auf 3 Uhr angesetzt wurde. Auf mehrfache Nachfrage wurde dann auch endlich Trinkwasser bereit gestellt. Eine alleinreisende Mutter mit zwei sehr kleinen Kindern machte deutlich, dass die Kinder Hunger hätten, aber wir bekamen nichts zu essen. Mein beniner Kollege und ich hatten ein paar Biscottes (Zwieback) im Handgepäck, die wir dann den Kindern abgaben, um den gröbsten Hunger zu stillen. Weder von der AirFrance-Crew noch vom Flughafenpersonal wurde Essen gebracht, die ganze Nacht nicht. Als die neue Abflugzeit um 20min überschritten war, ohne dass es eine neue Durchsage gab, wurden die Passagiere langsam unruhig. Die Stimmung war sehr gereizt. Es gab dann schließlich ein paar halbgare Informationen, dass nun ein Techniker die Klimaanlage reparieren wolle und dann würde man weitersehen. Die schlechte Kommunikation führte immer wieder zu tumultartigen Zuständen. Passagiere beschwerten sich lautstark, wurden handgreiflich, fast hätte es eine Schlägerei gegeben. Von Sicherheitspersonal oder einem Eingreifen und Schlichten des Flughafenpersonals war nichts zu sehen. Die Tumulte wurden von den Passagieren untereinander geschlichtet. Besonders erschreckend war dabei eine Situation, in der ein sehr aggressiver Mann handgreiflich gegenüber einer Frau wurde (sie hatte nur darum gebeten, ruhig zu bleiben). Eine sehr zierliche Frau stellte sich dann zwischen die beiden, damit keiner verletzt wird, die umstehenden Männer griffen nicht ein.

Gegen 5 Uhr oder halb 6 war klar, dass wir nicht mehr abfliegen werden. Da ließ sich auch zum ersten mal die AirFrance-Crew blicken. Wir würden gerade keine Startfreigabe aus Paris bekommen; dort braucht man ja eine genehmigtes Zeitfenster, um landen zu dürfen. Außerdem wäre die Crew nun schon so lange wach, dass sie nicht mehr losfliegen dürfen, weil sie sonst ihre gesetzlich vorgeschriebenen Arbeits- und Ruhephasen nicht einhalten könnten. Es wurde uns ein Hotelgutschein versprochen, damit wir schlafen und essen konnten. Ob der Abflug am selben Tag, am nächsten oder irgendwann im Laufe der Woche sein würde, konnte man uns nicht sagen. Die Ausgabe der Gutscheine dauerte aber auch noch mal mindestens 1,5 Stunden und ich fand es mittlerweile schwer, mich auf den Beinen zu halten und den Hunger (nach über 10h ohne Essen) zu ignorieren. Leider wurde unser beniner Kollege einem anderen Hotel zugeteilt, so dass wir ihn am Flughafen aus den Augen verloren.

Gegen halb 8 kamen wir schließlich in unserem (etwas verwilderten) Hotel an, wir wurden begrüßt von empörten Passagieren, die nicht in dem Hotel bleiben wollten. Zwei sehr bemühte junge Beniner versuchten uns zu überzeugen, wenigstens die Zimmer anzusehen. Und ja. Es war sehr afrikanisch; unser Zimmer war das einzige, das (braunes, kaltes) Wasser hatte. In dem Moment war uns aber eigentlich nur wichtig, dass wir ein Bett, etwas zu essen und Internet bekämen, damit wir der Familie Bescheid sagen könnten. Unsere beniner SIM-Karte hatten wir schon abgegeben, so dass wir quasi ohne Möglichkeit zur Kommunikation waren, kein Internet, kein beniner Telefonnetz. Dabei wünschte ich mir nichts sehnlicher, als unsere beniner Freunde anzurufen. Unseren immer freundlich lachenden Vermieter Jules und unseren Fahrer Fernand, der jedes Problem immer in den Griff kriegt. War aber nicht drin, wir waren im etwas abgehalfterten Hotel L’Entente. Aber Bett, Essen, Internet, das alles wurde uns versprochen und so waren wir, mit zwei Pariser Studenten mit beniner Wurzeln, die einzigen Gäste, die blieben.

Es stellte sich heraus, dass das eigentliche Hotel in einem Neubau ein paar hundert Meter entfernt war und der alte Bungalow, in dem wir untergebracht waren, das alte Hotel war. Wir wollten zum Frühstück in das neue Hotel hinüber gehen, aber das durften wir nicht, „weil das Essen gleich kommt“. Es dauerte bis halb 10 bis wir, nach mehrfacher Nachfrage, endlich zwei Croissants bekamen und bis kurz vor 11h bis endlich das „richtige“ Frühstück (Baguette und Rührei) auf dem Tisch stand. Die Mutter der zwei Studenten war in der Zwischenzeit mit Baguette und Joghurt gekommen und hatte uns aus Mitleid etwas abgegeben, zum Glück!

Nachdem wir der Familie Bescheid gesagt und knapp 2h geschlafen hatten, wurden wir geweckt, weil ein Fahrer uns zum Flughafen bringen sollte. Mittlerweile gab es auch die Info von AirFrance, dass unser neuer Abflug am heutigen Sonntag um 23h wäre. Wir, und auch die beiden Studenten, verstanden nicht, was wir kurz nach mittags schon am Flughafen sollten und blieben im Hotel. Kurze Zeit später kam erneut ein Van, uns wurde gesagt, dass alle Passagiere des ausgefallenen Fluges in ein neues Hotel, das Novotel, gebracht wurden, damit alle zusammen wären. Da in diesem Moment der Strom ausfiel und das Novotel einen sehr hohen Standard hat, willigten wir ein. Wir bekamen sehr schicke Zimmer, konnten duschen und uns ein Stündchen ausruhen, aber richtig schlafen konnten wir aufgrund unseres Hungers nicht. Außerdem machten wir uns Sorgen um unseren beniner Kollegen, von dem wir seit dem Mittag nichts gehört hatten, und da auch nur, dass er auch fast nichts zu essen bekommen hätte.

Nach dem kurzen Ausruhen wollten wir ins Hotelrestaurant, aber der Zutritt wurde uns verweigert. Plötzlich meinte die Rezeption des neuen Hotels, dass die Begleichung der Rechnung unklar wäre, weil unsere Gutscheine im ersten Hotel geblieben waren. Also mussten wir mit den beiden Studenten ins erste Hotel zurück fahren, um uns unsere Gutscheine zu erstreiten. Dort hatte man die Gutscheine aber auch nicht mehr und es entbrannte eine Diskussion darüber, wer eigentlich angewiesen hatte, dass wir die Hotels wechseln, wer für die Rechnungen verantwortlich sei undsoweiter. Nach all dem Schlafmangel und Hunger verließ mich langsam meine Geduld und ich versuchte deutlich zu machen, dass die Hotels und AirFrance die organisatorischen Dinge bitte unter sich klären mögen, dass wir gern ins Hotel zurück möchten und dringend! etwas essen möchten. Das war 17.30h, es blieb also nicht mehr so wahnsinnig viel zeit bis wir erneut zum Flughafen müssten um einzuchecken. Checkin-Zeit wurde von 19h über 19.30h bis 20h angegeben, je nachdem, wer gerade sprach, eine offizielle Information von AirFrance hatten wir nicht.

Man fuhr uns schließlich zurück zum Novotel, aber an der Rezeption ging die Diskussion weiter. Die Dame, die unseren Checkin gemacht hatte, war nämlich nicht mehr da und scheinbar wurden auch keine Informationen weitergegeben. Es ging erneut um die Abrechnung, dass man uns nicht auschecken lassen könne, wenn das nicht geklärt wäre und etwas zu essen gäbe es schon mal gar nicht (das war der Moment, in dem ich die Nummer der deutschen Botschaft heraussuchte). Außerdem sollten wir jetzt (18h) zum Flughafen fahren, unsere Position AirFrance klarmachen, das regeln und dann könnten wir auch zurückkommen und essen. Dass die Rezeption einfach mal bei AirFrance anruft, wurde verweigert. Meine Kollegin, die eh mit einer dicken Erkältung kämpfte und nicht mehr konnte, brach in Tränen aus. Die beiden Studenten sprangen uns noch zur Hilfe, so könne man Menschen einfach nicht behandeln und letztlich ließen sich die Damen an der Rezeption erweichen. Wir durften etwas zu essen bestellen, endlich! Die Küche hatte eigentlich noch zu und brauchte eine Weile, also packten wir in der Zwischenzeit unsere 7 Sachen zusammen, stellten das Gepäck ins Foyer und konnten um 18.30h endlich etwas Warmes und Kalorienreiches essen. Die Mutter der beiden Studenten war in der Zwischenzeit gekommen, versuchte AirFrance zu erreichen, sich zu beschweren, irgendeine offizielle Information zu bekommen, aber vergebens. Mein Mann versuchte auf deutscher Seite das Gleiche, weil er sich ernsthaft Sorgen machte, aber bis auf ein paar lauwarme Emails am übernächsten Tag, man könne die Passagierin nicht erreichen, gab es keine Antwort.

Nach dem Essen(Endlich! Gemüselasagne!) ging es wieder zum Flughafen. Checkin, Sicherheitsschleuse, Passkontrolle, Wartehalle. Das Boarding war für 22h angesetzt, der Flug für 23h. Unseren beniner Kollegen hatten wir glücklicherweise in der Wartehalle wiedergetroffen, sehr müde und nur mäßig gesättigt. Während des Wartens kollabierte eine ältere Dame. Vom Flughafenpersonal oder AirFrance kümmerte sich natürlich keiner, aber andere Passagiere legten sie in die stabile Seitenlage, brachten Wasser und kühlten die Stirn. Um kurz vor 23h war immer noch nichts passiert, so dass die Leute langsam unruhig wurden. Vor allem die Familien mit Kindern (ca. 10-20 Kinder, mindestens 3 Babys unter 1 Jahr) waren am Ende, denn sie hatten die ganze Zeit keinerlei Unterstützung erhalten. Die Crew war eine halbe Stunde vor Boardingzeit erschienen, außerdem die Crew des regulären Flugs nach Paris. Irgendwann kam die Durchsage, dass das Boarding für unseren Flug nicht beginnen könne, wegen technischer Schwierigkeiten mit der Klimaanlage. Von hysterischem Lachen, über entsetztes Aufstöhnen bis hin zu Wutausbrüchen war alles an Reaktionen dabei. Es fühlte sich an wie ein verdammter Albtraum und alle hatten Angst, es würde wieder eine Nacht Ungewissheit und Warterei geben. Das Trinkwasser kam dieses mal schneller in den Wartebereich, aber es waren wieder die Passagiere, die es verteilten, nicht etwa die Mitarbeiter. Außerdem wurde dieses mal recht zügig die Sicherheitsschleuse geöffnet, damit man sich im kleinen Kiosk im Flughafenfoyer etwas zu essen kaufen konnte; aber der hat nur ein paar Chips, Nüsschen und getrocknete Bananen.

Ein paar junge Studenten, deren Bekanntschaft wir gemacht hatten, holten eine Ukulele raus und begannen zu singen um wenigstens etwas gute Stimmung zu verbreiten. Diese Studenten hatten uns ein bisschen gerettet, denn sie gaben sich sehr viel Mühe, uns Infos auf Englisch zu übersetzen. Wie auch am Vorabend wurden Durchsagen ausschließlich in Französisch gemacht und nach diesem extremen Schlafmangel verließ uns langsam unsere zweite Fremdsprache (genau genommen konnten wir nicht mal mehr klare Sätze auf Deutsch sagen). Es gab die Information, dass nach der Reparatur der Klimaanlage nun erst einmal ein großer Check-up gemacht werden müsse, damit klar ist, dass der Fehler wirklich behoben ist und nicht währen des Flugs erneut auftritt. Natürlich fragten sich die Leute, warum das nicht längst geschehen war, immerhin hatte man 24h Zeit gehabt, die Maschine flugtauglich zu machen. Kurz nachdem die Durchsage kam, dass sich unser Boarding für unbestimmte Zeit verzögert, wurde das Boarding des regulären Flugs nach Paris aufgerufen. Damit ist die Stimmung komplett gekippt und selbst die Passagiere wurden wild, die bisher besonnen und ruhig agiert hatten. Sehr viele Menschen waren sich sehr schnell einig: bevor wir nicht nach Paris abgeflogen sind, wird hier gar keiner nach Paris abfliegen. Es wurde so laut und turbulent, dass wir uns in die hinterste Ecke des Wartebereichs zurückzogen, aus Angst, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könne. Es entstand ein Tumult, bei dem einer der Passagiere ein Mikro ergattern konnte, aber bevor er revolutionäre Reden schwingen konnte, wurden alle Lautsprecher abgedreht. Eine große Gruppe von Passagieren war sich einig, so dass gemeinsam alle Ausgangstüren des Gates blockiert wurden, um das Boarding des regulären Fluges zu verhindern. Damit waren sie erfolgreich. Im Weiteren versuchten die Blockaden zu verhandeln, dass wir die frische, startklare Maschine bekommen und mit höchster Priorität ausgeflogen werden. Viele Menschen hatten Angst, in den kaputten Flieger zu steigen. Aber das wurde von AirFrance abgelehnt und überhaupt wurde wenig Verständnis für unsere Situation aufgebracht. Als nach über einer Stunde die Polizei da war, konnten die auch nicht viel machen. So wie ich es gesehen habe, hatten sie nicht mal Trillerpfeifen und waren komplett überfordert und in der Unterzahl, haben aber zumindest in einer Tür die Blockade aufgelöst.

Das Boarding und der Abflug des regulären Flugs nach Paris wurde verhindert, unser Boarding ging mit über 2h Verspätung dann gegen 0.30h los. Wir waren unter den letzten, die das Flugzeug bestiegen, und ziemlich geschockt als wir in die Maschine kamen. Es war brüllend heiß, wieder! Alle Kleinkinder waren nackt ausgezogen, damit sie nicht kollabierten. Passagiere, die darauf aufmerksam machten, wurden von der Crew angepöbelt. Sobald die Türen geschlossen wären und die Maschinen liefen, würde die Klimaanlage laufen. Man solle vertrauen, man sei schließlich AirFrance. Mir platzte der Kragen und ich musste dieser unglaublichen AirFrance-Tante einmal kurz die Meinung sagen. Wir mussten in dieser schrecklich heißen Maschine (mindestens 40°C hatte die) noch mindestens 30min warten, weil zuerst Gepäck gesucht wurde und dann noch vier Passagiere. Wieder wurde nur vereinzelt Wasser durch die Crew ausgegeben, obwohl uns der Schweiß in strömen lief. Als wir endlich starteten, wurden die Temperaturen im Innenraum tatsächlich besser. Die Angst blieb allerdings. Die ausgeteilte Mahlzeit war ganz klar die (ewig haltbare) Notfallration mit eingekochtem Thunfischsalat, eingekochtem Fleisch und Crackern. Erneut fragte ich mich, warum sie in der Nacht zuvor nicht einfach das Essen aus dem Flieger an die hungernden Leute ausgeteilt hatten. Wahrscheinlich sprechen da irgendwelche Regularien dagegen und es ist juristisch sicherer, die Leute hungern zu lassen und das Essen wegzuwerfen.

Kurz vor der arg verspäteten Landung in Paris wurde nichts durchgesagt, außer dass man im Fall einer Evakuierung alles zurücklassen sollte. Die Leute bekamen wieder Angst, aber zum Glück sind wir sicher gelandet. Beim Aussteigen sahen wir noch, wie eine Frau (mit Mann und Baby) kollabierte, aber von der Crew wurde ihr nicht geholfen. Diese war zu sehr damit beschäftigt eine allein reisende Mutter mit zwei Kleinkindern anzupöbeln, die sie verantwortlich für die Türblockaden machten. Sie drohten tatsächlich sogar damit, die Polizei zu rufen, woraufhin die junge Frau konterte, dass sie ebenfalls eine Anzeige in Erwägung zieht, für den Nahrungsentzug, vor allem ihrer Kinder.

Wir waren froh, in Paris zu sein, hatten unseren Anschluss nach Frankfurt aber natürlich verpasst. Der nächste freie Flug wurde uns für abends gebucht. Mit weiteren 9h Wartezeit in Paris! Wir waren den Tränen nahe, wir konnten einfach nicht mehr. Ich fragte, ob es irgendeine Möglichkeit gäbe, sich auszuruhen und zu schlafen – einen Ruheraum oder ähnliches. Das wurde verneint. Gutscheine zur Versorgung mit Essen und Trinken wurden uns nicht angeboten, wir mussten sie extra erbitten, Trinkwasser wurde nicht gestellt. Die Gutscheine waren nicht sehr großzügig, so dass wir ein Drittel des Betrags allein für das Kaufen von Trinkwasser los waren. Während des Frühstücks klappte ich dann zusammen und hab den Rest des Tages auf dem Flughafen-Fußboden liegend verbracht. Als wir endlich(!) im Flieger nach Deutschland saßen, konnte ich nur noch vor Erleichterung weinen. Statt Sonntag mittag zuhause zu sein, fiel ich Montag nach 22h todmüde ins Bett. Am nächsten Tag konnte ich vor Erschöpfung nicht länger als 10min aufstehen. Aber immerhin kann ich wieder halbwegs normale Portionsgrößen essen.

Nach wie vor bin ich fassungslos, wie AirFrance mit den Passagieren umgegangen ist. Familien und Kinder bekamen null Unterstützung. Die Kommunikation und das Troubleshooting waren unterirdisch. Es wurde kein Verständnis für die Verzweiflung und Angst der Passagiere gezeigt. Die Organisation der Hotels und Abrechnung war extrem schlecht. Obwohl der Flughafen täglich angeflogen wird, war AirFrance komplett überfordert und unvorbereitet auf so eine Krisensituation in einem Entwicklungsland. Die Sicherheit der Passagiere während der Tumulte in der Wartehalle war mehr als fraglich. Dass es nicht zu Verletzten gekommen ist, vor allem auch unter den Kindern, grenzt für mich an ein Wunder.

CC BY-NC-SA 4.0 AirFrance Desaster AF805 Cotonou-Paris von Marja Katz ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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Biologin aus Köln mit zwei kleinen Kinnings. Liebt ihre Familie, ihre Nähmaschine, ihr Cello.
8 comments
  1. dafür gibt es keine Worte mehr hinzuzufügen, einfach unglaublich was ihr erlebtet… würde mich rechtlich beraten lassen wie ihr die Kosten für den Flug zurückerstattet bekommt. Frauke

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      Liebe Frauke, ja, wir lassen uns diesbezüglich beraten. Stehen dazu auch in Austausch mit der Reisekostenstelle und der Rechtsabteilung unseres Arbeitgebers, weil es ja eine Dienstreise war.

  2. Was für ein Alptraum. Schlimmer als Verspätungen, Hunger und Durst plagt einen meist das Gefühl der Hilflosigkeit und des „ausgliefert sein“. Man hat einfach selber keine Kontrolle über die Situation und das ist einfach beängstigend und extrem anstrengend. Gute Erholung nach all den Strapazen wünsche ich Dir. LG Kuestensocke

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      Du hast vollkommen recht, die Hilflosigkeit, Warterei und das Ausgeliefertsein waren eine große Belastung. Vor allem weil man sich der Situation auch gar nicht entziehen kann, weil man ja total abhängig davon ist, dass irgendwann mal der Ersatzflug geht.

  3. Wie schrecklich. Ich empfehle die Fluggastrechte-App des Nrw Verbraucherschutz, und dort sitzt auch eine Expertin mit 20 Jahren Erfahrung im Reiserecht. Gut, dass du nicht allein warst und alles fotografisch dokumentiert hast. Rein interessehalber: wieviele der Passagiere waren farbig, und wieviele der Crewmitglieder?

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      Die Frage ist absolut berechtigt und kam mir auch während der Situation („So denken sie also Schwarze behandeln zu können…“)
      Von den Passagieren waren geschätzt über 80% Schwarze. Viele waren Europäer oder in Europa Lebende.
      Die Crewmitglieder waren bis auf eine Person (die vermutlich ein farbiges Elternteil hat) alle weiß. Spürbar wenig sensibel für die Bedingungen in einem Entwicklungsland. Spürbar gestresst, teilweise pampig und gereizt. Am Schlimmsten fand ich, wie wenig Unterstützung Familien bekommen haben, denn ich finde, dass die Fluggesellschaft eine Verantwortung für die Passagiere hat, vor allem für die Kinder.
      Dass Kinder und Familien in Sicherheitsschleusen und beim Boarding mit höchster Priorität behandelt wurden, ging vom beniner Bodenpersonal aus. Ansonsten war die Flughafencrew leider überfordert, unterbesetzt (in beiden Nachtschichten war exakt dasselbe Personal da) und nicht geschult/sensibilisiert für solche Situationen.

  4. Puh! Was für eine schreckliche Geschichte. Wie gut das du heile herausgekommen bist. Die Antwort auf Tilys Fragen interessiert mich auch.
    Erhole dich gut und wir sehen uns im Januar?
    Lieber Gruß Mema

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      Liebe Mema, ja, ein sehr großer Teil der Passagiere war farbig, die Crew hingegen nicht.
      Wir sehen uns im Januar, ich freu mich schon!

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